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Gastkommentar Der Berliner Mietendeckel: Wir stecken inmitten einer Neiddebatte

Immobilienexperten warnen vor den Folgen des Mietendeckels in Berlin, Enteignungsfreunde fluten das Netz mit Freude und Häme: Die deutsche Neidkultur ist wieder da.
  • Christoph Meyer
22.10.2019 - 16:26 Uhr 2 Kommentare
Ungeachtet heftiger Kritik hat der rot-rot-grüne Berliner Senat den Mietendeckel beschlossen. Quelle: dpa
Häuserfassaden in Berlin

Ungeachtet heftiger Kritik hat der rot-rot-grüne Berliner Senat den Mietendeckel beschlossen.

(Foto: dpa)

Nachdem bekannt wurde, dass sich der Senat auf einen Entwurf zum Mietendeckel einigen konnte, gaben die Aktienkurse der großen Immobilienunternehmen an der Börse kräftig nach. Von „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hieß es dazu nur auf Twitter: „Mit dem Mietendeckel die Entschädigungssumme für Enteignung nochmal verkleinern.“ In der abgelaufenen Woche wurde mein Parteifreund Sebastian Czaja im Berliner RBB bei einer Podiumsdiskussion niedergebrüllt.

Die Debatte ist längt nicht mehr zugänglich für Argumente. Es geht im Berliner Wohnungsmarkt nur noch darum, wer am lautesten trommelt. Die reichen Spekulanten und die armen Mieter. So lautet die einfache Gleichung links-grüner Stadtsozialisten.

Doch die Gleichung ist falsch. Denn dass überhaupt hohe Renditen in Berlin möglich sind, liegt vor allem daran, dass die Berliner Landesregierungen in den abgelaufenen 20 Jahren viele Entscheidungen falsch oder gar nicht getroffen haben.

Das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter hat sich durch die mickrigen Neubauquoten in der Stadt gedreht. Waren es zur Jahrtausendwende noch die Mieter, die sich die Vermieter aussuchen konnten, ist es heute genau andersherum.

Wohnungen sind Mangelware geworden in Berlin. Heute liegt der Anteil der Wohnungen, die frei sind, schon nur noch bei einem Prozent. Der Mietendeckel dürfte diese Marke quasi auf Null drücken. Zum Vergleich: 2003 lag dieser von Experten als Fluktuationsreserve bezeichnete Wert noch bei 5,1 Prozent. Wenn Sie nun eine Familie gründen und aus der 2-Zimmer-Junggesellenwohnung in eine 4-Zimmer-Wohnung umziehen wollen, haben sie auf dem Markt de facto kaum eine Chance.

Erst waren die Zugezogenen und die mit ihnen angeblich einziehende Gentrifizierung schuld an den hohen Mieten – „Schwabenhass“ hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Jetzt sind es die Immobilienbesitzer, die nach dem Geschmack der Enteignungsfantasten zu hohe Gewinne einfahren würden.

Spekulanten sind erfolgreich

Hier gesellt sich eine große Portion Neid in die Debatte. Dass die Preise in angesagten Vierteln steigen, ist so verwunderlich nicht. Wer glaubt, dass er im New Yorker Stadtteil Manhattan, in Londons Soho oder im 16. Arrondissment für sechs Euro kalt wohnen kann, der irrt gewaltig.

Der Autor ist Landesvorsitzender der FDP in Berlin. Quelle: dpa
Christoph Meyer

Der Autor ist Landesvorsitzender der FDP in Berlin.

(Foto: dpa)

Nun ist Berlin nicht Paris, aber was gerade in der Stadt passiert, wird eher dafür sorgen, dass sich die Verhältnisse weiter angleichen. Denn nur die Investoren können die Preisspirale stoppen oder zumindest verlangsamen. Ihre Profession ist die Immobilienwirtschaft und natürlich geht es auch darum, Geld zu verdienen. Können wir das akzeptieren oder neiden wir denen, die in der Branche tätig sind, dass die Konjunktur gerade sehr gut läuft?

Dazu gehört auch, dass die Immobilienwirtschaft sehr viel komplexer ist: Es gibt neben den Investoren noch die Planer, die Architekten, die Projektentwickler, die Handwerker, die Rechtsberatung, die Makler und die Besitzer.

Die Wertschöpfung hat demnach mehrere Parteien – alle verdienen Geld in und durch die Immobilienwirtschaft. An den Gelenkstellen der Immobilienwirtschaft finden sich auch Spekulanten, die eine Immobilie nur kurze Zeit halten und dann nach kurzer Zeit mit entsprechender Marge weiterverkaufen.

Auch das ist eine extreme Ausprägung eines Marktes. Die Spekulanten sind gerade deshalb erfolgreich, weil Wohnungen knapp sind und dadurch die Preise weiter steigen. Fragen Sie sich selbst: Was passiert mit den Spekulanten, wenn der Senat ernst machen und morgen eine Neubauoffensive starten würde?

Es ist kein Verbrechen, reich zu sein

In Deutschland sind wir immer schnell dabei, diejenigen zu verurteilen, die Erfolg haben. Diese Stigmatisierung geht einher mit vermutetem Reichtum, der sich in der Immobilienwirtschaft dieser Tage sammele. Diese falschen Annahmen wirken wie ein Brandbeschleuniger im Diskus. Es ist kein Verbrechen, reich zu sein.

Es ist überdies keine Schande, weniger zu haben. Die Aufgabe von Politik muss es sein, dem gesamten Spektrum gerecht zu werden. Denn Vermieter leben nach denselben Gesetzen wie ihre Mieter. Im Gros sind die Verhältnisse zwischen Mieter und Vermieter übrigens auch fair. Lediglich der Sozialismus versteht unter dem Begriff ´fair` hochnoblen Theorie-Altruismus, der in der Realität bislang immer gescheitert ist.

Das Paradoxon ist, dass Berlin zig Stellschrauben hätte, um die Verhältnisse am Wohnungsmarkt zu verändern. Allein in der Berliner Innenstadt könnten 200.000 Wohnungen entstehen, wenn man eine Etage oben draufsetzen würde. Dazu gibt es in der Stadt noch viel Nachverdichtungsmöglichkeiten und unzählige Brachflächen, das Tempelhofer Feld steht exemplarisch dafür.

Selbst an den Rändern, etwa in Berlin-Buch oder auf der Elisabethaue in Blankenburg, wäre Platz für Neubau. Dazu müsste endlich auch mal ein fairer Dialog über die vielen Kleingärtenflächen in der Stadt geführt werden. Das passiert nicht, gerade weil es von der Rot-rot-grünen Landesregierung nicht gewollt wird. Denn die Neiddebatte hilft denen, die deckeln und enteignen wollen, mehr als etwa Neubau. Denn plötzlich wäre ja der Druck aus dem Markt raus und die eigene Ideologie würde nicht weiter verfangen.

Der Berliner Wohnungsmarkt ist knapp, aber er ist eben immer noch ein Markt, in dem es ums Geldverdienen geht. Das ist die Motivation von Investoren, überhaupt auch nur eine Wohnung zu bauen – ob wir wollen oder nicht. Wer das anerkennen kann, der erkennt sodann auch an, dass Fleiß und cleveres Wirtschaften im Rahmen des Erlaubten zu unternehmerischem Erfolg führt. Es gibt auch die, die einfach nur Glück hatten. Lösen wir uns von der Neiddebatte, denn sie schürt nur Hass und Hetze, baut aber nicht eine Wohnung mehr in der Stadt.

Mehr: In Berlin sollen Mieten vom Staat eingefroren und teilweise gesenkt werden können. Die rot-rot-grüne Koalition lenkt damit aber nur von eigenen Fehlern ab, kommentiert Silke Kersting.

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2 Kommentare zu "Gastkommentar: Der Berliner Mietendeckel: Wir stecken inmitten einer Neiddebatte"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Ich muss dem bisher abgegeben Kommentar deutlich widersprechen. Der Artikel ist kein Armutszeugnis sondern bringt die Problematik auf den Punkt. Herr Meyer hat leider völlig Recht wenn er schreibt “Die Debatte ist längst nicht mehr zugänglich für Argumente.”

    Fakt ist wir haben in unserer Stadt ein knappes Gut und das sind Mietwohnungen. Es ist nicht knapper dadurch geworden weil kommunale Wohnungsbestände verkauft wurden oder Unternehmen versuchen mit ihm hohe Renditen zu erwirtschaften.

    Es ist knapper geworden weil die Nachfrage nach Wohnungen in Berlin gestiegen ist, weil unser Stadt für viel Menschen immer attraktiver wurde und es versäumt wurde, von wem auch immer, rechtzeitig neuen Wohnraum zu schaffen.

    Und nun versucht eine Regierung künstlich den Preis eines knappen Gutes welches sie nicht besitzt künstlich nach unten zu drücken. So etwas hat noch nie funktioniert in welcher Gesellschaftsform auch immer.

    Denn das Gut ist eben nach wie vor knapp und die Nachfrage nach ihm, nach wie vor vorhanden. Also werden sich weiterhin viele um die wenigen vorhandenen Güter streiten.
    Und wer entscheidet nun und an wen und wie die knappen Güter verteilt werden? Das wurde schon immer, wenn es nicht mit Gewalt geregelt wurde, mit Geld geregelt. Dann wird es eben nicht über den Mietpreis sondern über andere Verteilungsmechanismen geregelt. Das Geld wird seinen Weg finden. Ob man es wahr haben will oder nicht. Am Ende werden, auch mit einem Mietendeckel, die darunter leiden die wenig Geld besitzen, denn sie werden, an die nach wie vor knappen Güter, nicht ran kommen…


    Es gibt nur einen Ausweg, möglichst schnell und möglichst viel neuer Wohnraum, mit welchen Mitteln auch immer!

    Der Staat alleine wird es nicht schaffen, dafür benötigt er auch die Unterstützung der Privatwirtschaft und die bewegt sich nun mal nur wenn es sich lohnt und auf keinen Fall wird sie sich bewegen wenn es sich nicht lohnt. Ob man es wahr haben will oder nicht!

  • Der Artikel ist ein Armutszeugnis: Einerseits wirf der Autor mit Begriffen wie „Sozialisten“ und „Fantasten“ um sich – andererseits geht er mit keinem Wort auf die Verfehlungen der der eignen Partei ein, die ganz wesentlich zur derzeitigen Situation am deutschen Wohnungsmarkt beigetragen haben.

    Denn die zwei größten Fehler der deutschen Politik bei diesem Thema erwähnt der FDP-Politiker wohlweislich nicht: das nahezu komplette Einstampfen des sozialen Wohnungsbaus. Und das Verscherbeln kommunaler Wohnungsbestände an Privatinverstoren (zu Preisen, bei denen einem die Freudentränen in die Augen steigen angesichts der daraus resultierenden Gewinnerwartungen für die privaten Investoren – mit „Glück haben“, wie der Autor behauptet, hat das wenig zu tun).

    Denn diese beiden Punkte sind es, die Wohnraum in Großstädten für Geringverdiener unerschwinglich machen und es privaten Eigentümern fast schon erlauben, die Preise zu diktieren. Und diese beiden Punkte sind es zudem, die die FDP seit Jahrzehnten lauthals fordert und vielerorts (mit) umgesetzt hat.

    Und nein, es wird niemandem vorgeworfen, dass er mit Immobilien Geld verdien will – ein klassisches Strohmann-Argument. Wenn aber große Kapitalanleger in den deutschen Immobilienmarkt einstiegen, bei denen man weiß, dass sie sich selten mit Renditen unter 10% p.a. zufrieden geben, dann muss diese Rendite jemand bezahlen.

    Abschließend: Vielleicht hätte der Jurist Meyer doch mal einen Ingenieur fragen sollen, bevor er "Lösungsvorschläge" wie das Aufstocken sämtlicher Gebäude vorschlägt. Denn abgesehen vom baulichen Aufwand: Die Statik von Gebäuden ist schlicht Physik, und der muss sich selbst der Neoliberalismus beugen.

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