Geoeconomics: Der Nato-Gipfel hat nur ein Ziel: Trump darf nicht vorzeitig gehen

Die letzte Ungewissheit über den stattfindenden Nato-Gipfel wurde am Dienstag beseitigt. Ja, Donald Trump stieg in die Air Force One, um nach Brüssel zu fliegen. Klingt komisch, ist aber so. Dass der amerikanische Präsident erst gar nicht am Gipfel teilnehmen würde, war eine Befürchtung der Europäer.
Auch sonst steht dieser Gipfel ganz im Zeichen des Versuches, (fast) alles zu unternehmen, um die USA als europäische Macht zu halten und dem amerikanischen Präsidenten keine Gelegenheit zu bieten, auf dem Gipfel einen Skandal zu produzieren.
Da ist etwa die Zustimmung zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent plus 1,5 Prozent für militärische Infrastruktur bis zum Ende des Jahrzehnts. Den Amerikanern wird das als eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben um fünf Prozent verkauft, weil Donald Trump in seinem Wahlkampf exakt diese Summe forderte. Gegenüber der eigenen Bevölkerung wird sie als eine Erhöhung von 3,5 plus 1,5 Prozent präsentiert, das hört sich schon mal nach nicht ganz so viel an. Auch die Choreografie des Gipfels ist Trump-kompatibel.
Statt eines langen Sitzungsmarathons der 32 Staats- und Regierungschefs, bei dem über Einzelheiten gefeilscht wird, eine kurze und knackige zweieinhalbstündige Sitzung. So soll verhindert werden, dass Trump, wie jüngst beim G7-Gipfel in Kanada, einfach aufsteht und geht. Statt eines langen Abschlusskommuniqués, das so ziemlich alle Fragen der internationalen Sicherheit behandelt, eine kurze Gipfelerklärung, in der die Frage einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine nicht ausdrücklich erwähnt wird, sondern auf eine alte Position der Allianz (noch mit Biden) verwiesen wird.
Möglicherweise in der Hoffnung, dass dies den Amerikanern nicht auffällt und Russland zwar irgendwie als Gefahr benannt wird, aber so richtig nun auch nicht, da man ja weiß, dass Trump lieber gute Beziehungen zu Putin haben will und Selenskyj eher nicht so mag. Apropos Selenskyj: Während der Präsident auf den letzten Nato-Gipfeln wie ein Rockstar gefeiert wurde, darf er an diesem nicht teilnehmen. Also schon teilnehmen, aber nicht so richtig. Ein Mittagessen mit dem Generalsekretär und nach dem offiziellen Schluss des Gipfels noch ein Treffen mit den E5, alles europäische Staaten, das wars. Trump wird er nicht sehen.
Man kann sogar noch weiter gehen. Die vom deutschen Bundeskanzler im Vorfeld des Gipfels geäußerte Unterstützung für die Versuche der Trump-Administration, das iranische Nuklearprogramm zu zerstören, könnte in der Deutlichkeit, mit der Merz dieses Verständnis vorgetragen hat, auch der Versuch gewesen sein, im Vorfeld des Gipfels keinen Zwist zwischen Deutschland und den USA aufkommen zu lassen, der schlechte Stimmung in Den Haag produzieren könnte.
Trump muss mit Gipfel-Ergebnis zufrieden sein
All diese Mühen haben nur zu einem Zweck. Zu hoffen, dass Trump mit den Ergebnissen des Gipfels zufrieden ist, diesen gegenüber seiner MAGA-Basis als seinen Erfolg verkaufen kann und im Gegenzug verspricht, dass die USA auch weiterhin bereit sein werden, den alten Kontinent nuklear zu schützen und im Ernstfall konventionell zu verteidigen.
Klingt alles nach einer klugen Strategie, hat jedoch drei Haken.
Erstens: Es ist hinlänglich erwiesen, dass Zusagen von Donald Trump manchmal eine Halbwertzeit von zwölf Stunden oder gar weniger haben. Zweitens: Die Entscheidung, ob amerikanische Truppen aus Europa abgezogen werden und gegebenenfalls die eine oder andere amerikanische Kaserne geschlossen wird, fällt erst nach dem Gipfel. Denn gerade ist das Pentagon dabei, eine Überprüfung seiner globalen Verpflichtungen vorzunehmen, die noch nicht abgeschlossen ist.
Und drittens: Die USA wollen, nicht erst seit dem zweiten Amtsantritt Trumps, raus aus Europa.






Diese drei Faktoren könnten alle Anstrengungen und zum Teil Unterwürfigkeit der Europäer gegenüber den USA im Vorfeld des Nato-Gipfels Makulatur werden lassen. Nicht dass es zum Eklat auf dem Gipfel kommt, aber es könnte danach trotzdem einen schleichenden Rückzug der USA aus Europa geben.
Denn mit der Zustimmung zur Erhöhung der nationalen Verteidigungsetats könnten die Europäer den USA paradoxerweise ein Argument an die Hand geben, dass sie guten Gewissens aus Europa abziehen lässt. Denn Europa hätte dann genug Geld zugesagt, um seine Verteidigung in die eigenen Hände nehmen zu können. Aber dies ist alles bloße Spekulation. Bei Trump gibt es nur eine Gewissheit: Am Ende kann alles ganz anders kommen.
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