Kommentar Altmaier macht sich in Sachen Strombedarf endlich ehrlich

Der Bundeswirtschaftsminister hat die Schätzung seines Hauses über den Stromverbrauch des Jahres 2030 nach oben korrigiert.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich lange schwergetan, eine realistische Stromverbrauchsprognose abzugeben. Am Dienstag hat er nun die bisherige Schätzung seines Hauses über den Stromverbrauch des Jahres 2030 nach oben korrigiert. Die korrigierte Annahme liegt zwar am unteren Ende einer realistischen Spanne, aber immerhin: Altmaier verweigert sich nicht länger der Realität.
Praktische Auswirkungen wird Altmaiers Korrektur in dieser Legislaturperiode nicht mehr haben. Eine künftige Bundesregierung, insbesondere eine Bundesregierung mit Beteiligung der Grünen, könnte sich noch in diesem Jahr über die neue Schätzung beugen – und sie möglicherweise erheblich nach oben korrigieren.
Dass der Stromverbrauch deutlich steigen wird, kann niemand mehr bestreiten. Der Wechsel von fossilen Energieträgern auf Strom mit wachsendem Erneuerbaren-Anteil ist aus Gründen des Klimaschutzes dringend geboten: Das E-Auto ersetzt den Wagen mit Verbrennungsmotor, die elektrische Wärmepumpe den Ölkessel im Heizungskeller.
Außerdem wird Strom in rauen Mengen erforderlich, um per Elektrolyse Wasserstoff herzustellen, der für die Dekarbonisierung der Industrie, sprich die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, unverzichtbar ist. Obendrauf kommt die Digitalisierung, die immer größere Strommengen verschlingt.
Die kursierenden Schätzungen darüber, wie viel Strom in Deutschland 2030 gebraucht wird, spiegeln insofern nur wider, wie viel Ehrgeiz die jeweiligen Schätzer den Deutschen beim Erreichen der Klimaschutzziele zutrauen.
Altmaiers Korrektur hat immerhin Symbolgehalt: Es ist nun auch dem letzten Akteur in Politik und Wirtschaft klar, dass beim Ausbau der Erneuerbaren alle Hemmnisse fallen müssen. Denn ein insgesamt höherer Stromverbrauch sorgt zwingend dafür, dass der angestrebte Prozentanteil erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung nur erreichbar ist, wenn noch mehr Windräder und Photovoltaikanlagen gebaut werden.
Die künftige Bundesregierung steht vor drastischen Maßnahmen
Daraus erwächst für die nächste Bundesregierung eine riesige Herausforderung. Es gibt zwar plausible Annahmen darüber, wie hoch die installierte Wind- und Photovoltaikleistung 2030 sein sollte, um die Klimaziele zu erreichen. Wie man aber die installierten Kapazitäten beim Wind verdoppeln und bei der Photovoltaik verdreifachen kann, ist unklar.
Die künftige Regierungskoalition wird Hürden beiseiteräumen müssen, die tief ins Genehmigungsrecht, in den Artenschutz und in die kommunale Planungshoheit eingreifen. Im Vergleich dazu ist es ein Kinderspiel, eine halbwegs seriöse Schätzung über den künftigen Stromverbrauch abzugeben.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.