Kommentar Annäherung im Handelsstreit: Ein wahrer Neustart wäre ein umfassender Handelspakt

Die Liste der Konflikte zwischen den Partnern ist lang.
Wenn Strafzölle abgeschafft oder auch nur ausgesetzt werden, ist das per se immer eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft. Vier Jahre permanenten Handelskriegs durch Donald Trump haben gezeigt, dass die ökonomischen Folgen kaum kalkulierbar sind und die politischen Konsequenzen katastrophal sein können – erst recht, wenn die Konflikte jenseits der Streitschlichtungsmechanismen der WTO ausgetragen werden.
Auch die unsinnigen, aber immerhin WTO-konformen Strafzölle, verhängt im Zusammenhang mit dem 17 Jahre alten Konflikt über Subventionen der Flugzeugbauer Boeing und Airbus, halfen am Ende niemandem. Das jetzige, für zunächst vier Monate geltende Moratorium, auf das die EU und die USA sich geeinigt haben, schafft die Gelegenheit, den Konflikt endlich beizulegen.
Aber ist die Annäherung wirklich das „Symbol für einen Neustart“ der transatlantischen Beziehungen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen etwas hochtrabend behauptet? So wünschenswert das wäre, so unrealistisch ist es auch. Denn die Liste der Konflikte zwischen den Partnern ist lang.
Sie beginnt mit der unseligen Nord-Stream-2-Pipeline, den unzureichenden Verteidigungsausgaben oder den gigantischen deutschen Exportüberschüssen. Und sie endet mit dem brisantesten und vor allem aus deutscher Sicht konfliktträchtigsten Punkt: der Suche nach einer gemeinsamen Haltung gegenüber China.
Die positive Botschaft des Moratoriums: Anders als sein Vorgänger glaubt US-Präsident Joe Biden offenbar nicht, dass der internationale Warenaustausch ein Nullsummenspiel ist. Dass also die Gewinne des einen die Verluste des anderen sind. Er glaubt nicht wie Trump, dass sich Handelskriege leicht gewinnen lassen.
Prinzip der Abschreckung funktioniert nicht
Tatsächlich lehrt die Geschichte, dass Vergeltungszölle und überhaupt das Prinzip Abschreckung in der Handelspolitik nicht wirklich funktionieren. Das musste Ronald Reagan erfahren, als er bereits in den 1980er-Jahren im Namen des Freihandels einen Handelskrieg gegen Japan führte. Das musste Trumps Vorgänger George W. Bush lernen, als er 2002 Stahlzölle einführte. Und das zeigte nicht zuletzt der legendäre und mehr als 15 Jahre andauernde Streit zwischen der EU, den USA und Lateinamerika um Bananen.
Sollte Biden also tatsächlich Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ziehen, gäbe es durchaus Chancen für eine nachhaltige Wende in den transatlantischen Beziehungen. Das wahre „Symbol für einen Neustart“ allerdings wäre eine neue Initiative für einen umfassenden Handelspakt. Nur eine solche transatlantische Annäherung könnte am Ende auch China beeindrucken und zu Zugeständnissen bewegen.
Mehr: Zunächst für vier Monate sollen Strafzölle im Flugzeugbau nicht angewendet werden.
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