Kommentar Auch Berater und Kanzleien müssen für Fehler geradestehen

Der Insolvenzverwalter der Maple Bank fordert von dem Unternehmen Schadensersatz.
Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erfüllen in unserem liberalen Rechtsstaat besondere Aufgaben. Sie sorgen für einen Rahmen, in dem die Soziale Marktwirtschaft gedeihen kann. Als unabhängige Freiberufler sind sie ein Garant für das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und die Märkte. Ihnen ist gemein, dass sie in ihrer Arbeit hohen fachlichen, aber auch ethischen Ansprüchen genügen sollen.
Im Skandal um die Cum-Ex-Geschäfte war von diesem Anspruch nichts zu sehen. Banken und Investoren haben über viele Jahre hinweg mit einer besonders perfiden Methode den Staat ausgenommen – und nutzten dabei externe Ratgeber. Es ist deswegen nur konsequent, dass neben den Akteuren in erster Reihe auch deren Dienstleister zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Dimensionen sind riesig: Schätzungen zufolge fehlt in den öffentlichen Kassen durch die Cum-Ex-Geschäfte ein zweistelliger Milliardenbetrag. Mittel zum Zweck waren Scheingeschäfte. Die Akteure handelten Aktien nicht deshalb, weil sie an die Unternehmen glaubten, die dahinterstanden. Milliardenschwere Pakete wurden nur zu einem Zweck hin- und hergeschoben: Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragsteuern „erstatten“, die sie niemals abgeführt hatten.
Etliche Gerichte haben bereits geurteilt, dass diese Geschäfte illegal waren. „Denklogisch unmöglich“ nannte der Präsident des Finanzgerichts Köln die Grundannahme des Cum-Ex-Handels: Es könne keine zwei Eigentümer ein und derselben Aktie geben.
Am Landgericht Bonn läuft der erste Strafprozess in dieser Sache. Die Angeklagten sind weitgehend geständig, ein Urteil steht kurz bevor. In einem Zwischenfazit nannte der Vorsitzende Richter Cum-Ex-Geschäfte einen „kollektiven Griff in die Staatskasse“. Beobachter bezeichnen das Geschehen in Bonn als Dammbruch. Sobald der Prozess dort beendet ist, sollen weitere folgen.
Die Beschreibung der Cum-Ex-Geschäfte als „kollektives Zusammenspiel“ trifft den Kern des Skandals. Das Spiel auf Kosten der Steuerzahler war nur möglich, weil zahlreiche Beteiligte gemeinsame Sache machten. Ohne Banken, Börsen und Broker wäre der Handel mit Aktien und Derivaten nicht möglich gewesen.
Die Institute wiederum stützten sich auf Gutachten vermeintlich renommierter Kanzleien. Wirtschaftsprüfer testierten Bilanzen, und Steuerberater bescheinigten, dass sich die Akteure nicht kannten und deshalb nichts von der Mehrfacherstattung wussten.
Erschreckendes Bild der Branche
Nur weil ein Rad ins andere griff, war es möglich, die Finanzämter zu hintergehen. Die Behörden vertrauten dabei auf die Seriosität feiner Adressen. Wer sollte Verdacht schöpfen, wenn beste Kanzleien und größte Beratungsgesellschaften dafür einstanden, dass alles seine Richtigkeit hatte? Anwälte von Freshfields etwa hatten in der Szene einen Ruf wie Donnerhall. Nun sind zwei, die lange dort arbeiteten, und einer, der es noch tut, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verdächtig.
Die Ermittlungsakten diverser deutscher Staatsanwaltschaften zeigen ein erschreckendes Bild der Anwalts- und Beraterszene. Die Großkanzlei Freshfields etwa erstellte zahlreiche Gutachten, die Cum-Ex-Geschäfte möglich machten. Allein bei einem Kunden, der daran zugrunde ging – der Maple Bank –, kostete dies die Kanzlei schon 50 Millionen Euro Schadensersatz. Diverse Ermittlungsverfahren laufen. Der Imageschaden ist kaum zu messen.
Der Insolvenzverwalter der Maple Bank hat auch EY verklagt, neben KPMG, Deloitte und Pricewaterhouse-Coopers eine der „Big Four“ im Beratungs- und Prüfgeschäft. Der Verwalter wirft der Firma massive Fehler bei der Prüfung und Steuerberatung der Maple Bank vor und fordert 95 Millionen Euro Schadensersatz. EY weist die Forderungen zurück – ganz so wie vorher Freshfields.
Es ist richtig, dass nicht nur Banken und Finanzinstitute zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch deren Berater. Allein die Tatsache, dass sich ihr Rat und ihr Testat als falsch erwiesen haben, ist Grund genug, potenzielle Ansprüche auch gegen sie geltend zu machen. Wer falsch berät, muss für den Schaden geradestehen. Das gilt erst recht für hochdekorierte und bezahlte Berater, die bei namhaften Kanzleien und Consultinghäusern arbeiten.
Die Branche sollte selbst ein Interesse daran haben, dass Missstände wie im Fall der Cum-Ex-Geschäfte aufgearbeitet werden. Auch die Kammern sind dabei gefragt. Von ihnen hört man leider in dieser Angelegenheit bis heute kein Wort.
Schon jetzt hat die Reputation von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern unter dem Skandal enorm gelitten. Inzwischen ist klar, dass sich viele von ihnen für Gefälligkeitsgutachten hergaben oder sich opportunistisch nach den Wünschen ihrer Mandanten richteten. Das ist eine gefährliche Entwicklung, weil sie wichtige Institutionen unseres Gemeinwesens beschädigt.
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