Kommentar Ausschluss aus der EVP-Fraktion: Orbán bekommt endlich mehr als einen lieben Klaps

Das Gebaren Orbans wurde über Jahre bedauert, aber kaum bestraft.
Als Jean-Claude Juncker noch Präsident der EU-Kommission war, pflegte er den ungarischen Ministerpräsidenten mit Ohrfeigen zu begrüßen. Wenn Viktor Orbán nach Brüssel kam, klatschte Juncker ihm gerne vor laufenden Kameras sanft ins Gesicht oder auf den Hinterkopf und lachte dabei. Das war über Jahre der härteste Teil des Vorgehens gegen den Autokraten, der in seinem Land auf das pfeift, was andere zum Kern europäischer Werte zählen: Pluralismus, freie Medien, freie Forschung.
Mittlerweile ist die EU mit mehr Ernst bei der Sache. Aber auch das hat bisher wenig geholfen. Selbst dann nicht, als die EU-Staaten in nächtelangen Verhandlungen die Milliarden-Gelder des Corona-Wiederaufbaufonds an Rechtsstaatsmechanismen knüpften. Kaum war der Kompromiss aufgeschrieben, da interpretierte ihn Orbán, zusammen mit seinen polnischen Verbündeten, nach seinem Gusto.
Das Problem: Um einen Staat nach den Regeln der EU-Verträge wirklich unter Druck zu setzen, braucht man eine große Mehrheit. Alle bis auf Ungarn hätten sich einig sein müssen. Doch stets hatten andere Staaten die Befürchtung, als Nächstes ins Visier zu geraten. Und so wurde das Gebaren Orbáns über Jahre bedauert, aber kaum bestraft.
Dabei brauchte es für eine erste Strafmaßnahme gerade einmal die Stimmen von 120 EU-Abgeordneten: Die reichen aus, um die Geschäftsordnung der Europäischen Volkspartei EVP im Europaparlament so zu ändern, dass eine ganze Partei en bloc ausgeschlossen werden kann. Diese Änderung beschloss die Fraktion nun mit 148 Stimmen. Orbáns Partei Fidesz reagierte wie angekündigt und kam ihrem Rauswurf zuvor, indem sie selbst den Austritt erklärte.
Dass sich die EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, über Jahre nicht zu diesem naheliegenden Schritt durchringen konnte, war beschämend. Jedes zusätzliche Mitglied bedeutet für eine Fraktion im Europaparlament einen Machtgewinn. Doch für diese Macht das Gebaren der ungarischen Kollegen einfach hinzunehmen war es nicht wert. Gut, dass die EVP die Sache beendet hat.
Für die Zusammensetzung des Parlaments ist die Nachricht allerdings schlecht. Rund ein Viertel der Abgeordneten gehört nun zu Gruppen am rechten Rand, die für eine Mehrheitsbildung praktisch nicht infrage kommen. Es wird also schwieriger, Entscheidungen zu treffen. Und das, obwohl in der EU ohnehin schon viele Vorhaben so lange zwischen den Institutionen zermahlen werden, dass sie niemandem mehr wehtun – aber den Kontinent eben auch kaum voranbringen.
Mehr: Orbán zieht Fidesz-Abgeordnete aus EVP-Fraktion zurück.
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