Kommentar Bei der Musterklage zählt jeder Tag – und zwar für Volkswagen

Verbraucher haben gegen den Autobauer eine Musterfeststellungsklage angestrengt.
Es ist ein elendes Schauspiel, das der Verbraucher viel zu oft erlebt. Ein Politiker entdeckt ein Thema, von dem er sich eine Schärfung seines Profils verspricht. Einen Missstand, der Tausende von Menschen belastet. Monate, teils Jahre zieht der Politiker dann durch die Lande, um sich als Botschafter der Besserung vorzustellen. Manchmal ergeht tatsächlich in diesem Sinne ein Gesetz. Und dann bleibt alles so, wie es ist.
„Kostenlos und schnell“ nannte die ehemalige Justizministerin Katarina Barley (SPD) die Musterfeststellungsklage. Der Verbraucherschutz würde damit revolutioniert. Musste früher jeder Geschädigte etwa eines Pharmakonzerns einen Anwalt nehmen, ihn bezahlen und dann klagen, konnten sich nun die Betroffenen zusammenschließen und als Gruppe Zeit und Geld sparen, wenn sie um ihr Recht kämpften.
Die erste Feuerprobe soll die Musterklage im Dieselskandal bestehen. Mehr als 430.000 VW-Kunden klagen gemeinsam auf Schadensersatz, weil der Konzern ihnen Dieselfahrzeuge verkaufte, die den Produktversprechen und Umweltauflagen nicht entsprachen. Das Verfahren in Braunschweig könnte ein Meilenstein für den Verbraucherschutz werden. Wird es aber nicht.
Bis 2023 mag sich das Verfahren gegen VW hinziehen, prognostizieren Experten. Jeder Tag ohne Urteil ist ein guter Tag für Volkswagen. Weil die Gerichte bei der Berechnung der Schadenshöhe in aller Regel einen Betrag abziehen für den Umstand, dass der Kunde das Fahrzeug ja fuhr, spart der Konzern immer mehr, je länger das Verfahren dauert. Dieser Nutzungsersatz bringt VW je nach Schätzung bis zu 1,2 Millionen Euro – pro Tag.
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Dabei ist 2023 nicht einmal das Zahljahr. Gelingt per Musterklage die generelle Feststellung, dass VW schadensersatzpflichtig ist, muss jeder der 430.000 Kunden anschließend doch wieder selbst klagen, um die Schadenshöhe feststellen zu lassen. Wer das Verbraucherschutz nennt, kann kein Verbraucher sein, vielleicht Justizministerin.
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