Kommentar Bei steuerfreien Gehaltsextras braucht es zwingend einfache Regeln

Der Friseurbesuch zählt nach wie vor als steuerfreies Extra. Doch die nun erlassenen Regelungen sind nur zum Teil nachvollziehbar.
Sechs Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben eine Prepaid-Kreditkarte, die ihr Chef jeden Monat mit bis zu 44 Euro auflädt. Das ist steuer- und sozialabgabenfrei. Für Topjuristen oder Manager sind es Peanuts, aber die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen wissen den Betrag zu schätzen.
Früher gab es Gutscheine für 30 Liter Benzin oder einen Friseurbesuch. Nicht nur Glatzenträger ohne Auto freuen sich inzwischen über den digitalen Fortschritt. Die Geldkarten können sie einsetzen, wo sie möchten. Auch Firmen schätzen die unbürokratische Lösung.
Nur einige Steuerexperten haben Bauchschmerzen. Diese Kartenutzung sei zu ausufernd. Und ein paar Spezis schafften es tatsächlich, das Geld von den Karten runterzuholen, obwohl Bargeldauszahlungen verboten sind. Das muss eingeschränkt werden, keine Frage.
Der Ansatz des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums ist aber ausbaufähig. Die Karten sollen jetzt auf bestimmte Branchen begrenzt werden. Die SPD bringt das Gehaltsextra ihrer Stammklientel mit sonderbaren Beschränkungen in Gefahr.
Tankstellen und Friseure sind in den neuen Regelungen wieder berücksichtigt, daneben auch Streamingdienste und Hörbücher. Man will ja nicht von gestern sein. „Waren, die der äußeren Erscheinung dienen“, also Schuhe, Taschen, Schmuck, Parfüm, sind ebenfalls erlaubt. Da wird sich der Busfahrer aber freuen, wenn sein Chef diese Kategorie für ihn auswählt.
Alternativ kann die Karte lokal begrenzt einsetzbar sein oder für ganze Handelsketten oder Onlineshops gelten. Ein monatlicher Amazon-Gutschein auf dem Schreibtisch ist jedoch ausgeschlossen. Das passt nicht zur SPD. Deswegen hat sie Shops mit Marketplace-Funktion ausgeschlossen.
Dass Angestellte, deren Karte für Rewe oder dm freigeschaltet ist, dort einfach einen Amazon-Gutschein kaufen können, ist bei den Sozialdemokraten aber wohl noch nicht angekommen. Nur weil es jetzt mehr Beschränkungen gibt, heißt das nicht, dass Missbrauch ausgeschlossen ist. Den wird es immer geben.
Die Karten sind ein Konjunkturprogramm
Man darf aber nicht vergessen: Es geht „nur“ um 44 Euro im Monat. Eine Regelung, die zu kompliziert ist, kann unerwünschte Folgen haben. Ab einem gewissen Punkt könnten die Arbeitgeber sagen, der Prozess sei für sie zu kompliziert. Oder die Arbeitnehmer tragen die Karten mit sich rum, ohne sie länger zu nutzen – und das Guthaben wird vergessen.
Die SPD würde die Karten am liebsten abschaffen, träumt stattdessen von höheren Bruttolöhnen. Doch damit der Mitarbeiter 44 Euro in der Tasche hat, muss der Arbeitgeber doppelt so viel drauflegen. Das wird niemand tun. Klar ist: Wenn die Karten verschwinden, verschwinden auch die bis zu sechs Millionen mal 44 Euro in jedem Monat. Das sind bis zu 264 Millionen Euro, die direkt in den Konsum fließen.
Die steuerfreien Gehaltsextras sind ein Konjunkturprogramm, das von den Arbeitgebern finanziert wird. Und um das am Leben zu erhalten, braucht es einfache Regeln. Der Mechatroniker mit Familie nutzt die Karte im Baumarkt, im nahe gelegenen Outletcenter und wenn er Spielzeug für die Kids kauft. Gönnen wir ihm diese Freiheit doch einfach.
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