Kommentar Bei Videokonferenzen gilt: Kamera aus fürs Klima!

Auch beim Streaming gibt es klimafreundliche Mittel und Wege.
Weniger Verkehr, weniger Flüge, weniger Konsum. Die weltweite Coronakrise hat der Umwelt eine kurze Verschnaufpause gegönnt. Deutschland zumindest hätte seine Klimaziele im vergangenen Jahr um Längen verfehlt, wenn die Pandemie nicht gekommen wäre. Stattdessen hat Deutschland 2020 42,3 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase verursacht als im Vergleichsjahr 1990. Die angepeilten 40 Prozent wurden damit sogar übertroffen – Corona sei Dank.
Statt jeden Tag ins Büro zu pendeln, mit dem Flieger in den Urlaub zu jetten oder mit dem Auto auf Geschäftsreise zu fahren, wird das Leben der meisten Menschen gerade durch Homeoffice, Videokonferenzen und Streamingdienste bestimmt. CO2-freundlichere Alternativen – ohne Frage. Wer jetzt allerdings dem Trugschluss aufsitzt, dass diese virtuelle Realität gut für das Klima ist, hat weit gefehlt. Auch in der digitalen Welt müssen Unternehmen genauso wie Verbraucher Verantwortung für ihre Umweltbilanz übernehmen. Das zeigt allein schon ein Blick auf die Zahlen.
Der weltgrößte Internetknoten DE-CIX in Frankfurt hat im vergangenen Jahr einen Datenverkehr von 32 Exabyte – also 32 Trillionen Byte gemessen. Das entspricht einem acht Millionen Jahre andauernden Videoanruf. Die weltweite Internetznutzung ist in Zeiten von Covid-19 zwischen 15 und 40 Prozent gestiegen. Rechenzentren sind quasi heiß gelaufen und haben dabei 3,2 Millionen zusätzliche Tonnen CO2-Äquivalente in die Luft geschossen.
Serverfarmen laufen heiß
Die Betreiber vieler Rechenzentren reagieren mittlerweile und kaufen immer mehr grünen Strom ein, um den Energiehunger ihrer Kunden zu stillen. Google, Microsoft und Amazon sind schon länger auf Einkaufstour bei Wind- und Solarenergie. Aber in den meisten Ländern dieser Welt besteht der Strom-Mix auch heute noch deutlich über die Hälfte aus fossilen Energien. Längst nicht jeder achtet darauf, woher der Ökostrom kommt. Der Windpark für Amazons grüne Bilanz steht selten tatsächlich neben einem Rechenzentrum. 100 Prozent grün ist in der Realität noch lange nichts. Und bis es so weit ist, können noch Jahrzehnte vergehen. Die meisten Serien-Junkies oder leidenschaftlichen Zocker und Video-Call-Verfechter dürften sich dieser Problematik aber kaum bewusst sein. Woher auch?
Wie sollen Verbraucher auf die Idee kommen, dass ihre obsessive Nutzung von Onlinediensten der Umwelt schadet, wenn noch nicht mal Streaming-König Netflix den CO2-Ausstoß seiner Kunden für wichtig hält? Erst vor wenigen Tagen hat Netflix unter viel Brimborium angekündigt, seine Emissionen zu senken und den Rest zu kompensieren. Man wolle nun nachhaltig werden. Das ist aber auch nicht schwer, wenn man sich nur auf einen Bruchteil der klimaschädlichen Aktivitäten konzentriert. Die Hälfte der Emissionen kommt laut Netflix aus der physischen Film- und Serienproduktion, 45 Prozent stammen von den eigenen Unternehmenstätigkeiten.
Ein Armutszeugnis für den Digitalkonzern. Schließlich rechnet selbst Ölriese Shell mittlerweile die Emissionen seiner Kunden, der Autofahrer, mit ein, wenn es darum geht, wie viel CO2 gespart werden muss.
Netflix und viele andere hingegen reichen die Verantwortung also an ihre Kunden weiter. Das ist nicht richtig, aber nun mal die Realität. Damit der Energiefresser Internet in Zukunft nicht zu einer noch größeren CO2-Schleuder wird, stehen deswegen auch die Personen am anderen Ende des Bildschirms in der Pflicht. Das sollte jedem bewusst sein.
Tipps für das klimafreundliche Streamen
Aber es gibt natürlich auch für die Streaming-affine „Fridays for Future“-Generation ein paar Tipps und Tricks, um die neuesten Serien-Highlights etwas umweltfreundlicher zu bingen. Über das WLAN ist die CO2-Bilanz zum Beispiel schon deutlich besser als über das Mobilfunknetz. Ganz konkret: Eine Stunde Streaming im WLAN verursacht zwei Gramm CO2 – über den alten UMTS-Standard im Mobilfunknetz 90 Gramm. Der Unterschied ist also sehr deutlich. Das ruckelfreie Streamen von Videos im deutschen Netz ist ja ohnehin eine Utopie, von der man vielerorts nur träumen kann. Also vielleicht das ein oder andere Video schon mal im WLAN runterladen, bevor es aus der Haustür geht.
Eine zweite Möglichkeit ist das Runterschrauben der Qualität. Statt HD reicht ja manchmal auch das Standardbild. Und wer bei den gefühlt 150 Video-Calls während der Arbeitszeit einfach mal sein Video ausschaltet, spart noch deutlich mehr. Bei beispielsweise 15 Meetings von einer Stunde pro Woche kommt man laut US-Forschern schon auf einen monatlichen Ausstoß von 9,4 Kilogramm CO2.
Allein die Videokonferenzen würden den CO2-Ausstoß pro Kopf dermaßen nach oben katapultieren, dass ein Erreichen der Klimaziele unmöglich wäre. Also vielleicht öfter mal die Kamera auslassen – fürs Klima.
Auch wenn am Ende natürlich trotzdem gilt: Besser für das Klima als lange Anreisen sind digitale Konferenzen allemal. Umweltfreundlich sind sie deswegen aber noch lange nicht.
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Kamera aus in der Videokonferenz - super Idee! Am besten auch noch den Ton, so kann man auch den PC ganz abschalten. Dann liest auch niemand Handelsblatt online - noch mehr CO2 gespart! Abo-Gebühren müssen dann ja auch nicht mehr abgebucht werden - zack, schon wieder den Energieverbrauch gesenkt...