Kommentar Biden will den Kapitalismus zähmen

Sein Team profitiert auch vom Scheitern der Vorgänger.
Als Joe Biden diese Woche sein Wirtschaftsteam vorstellte, verband er das mit einer zentralen Botschaft seiner kommenden Präsidentschaft: Wenn jeder eine faire Chance bekomme, gebe es nichts, was die Amerikaner nicht erreichen könnten.
Darin steckt nicht nur der Zweckoptimismus des neuen US-Präsidenten. Biden erklärt Chancengleichheit und mehr soziale Gerechtigkeit zu den Leitlinien seiner Wirtschaftspolitik. Er könnte damit mehr Erfolg haben als viele seiner Vorgänger.
Für Bill Clinton war es sein berühmter Satz „I can feel your pain“. George W. Bush präsentierte sich als „mitfühlender Konservativer“. Barack Obama sprach gerade den sozial schwachen Amerikanern mit seiner Losung „Yes, we can“ neuen Mut zu. Und Donald Trump wandte sich bei seinem Amtsantritt an „die vergessenen Männer und Frauen unseres Landes“.
In all diesen Worten steckt das Versprechen, die Auswüchse des amerikanischen Kapitalismus zu bändigen, der sich in Zeiten der Pandemie noch mehr als sonst von seiner hässlichen Seite zeigt. Das Virus hat die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert.
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Bidens Vorgänger sind meist daran gescheitert, die Lücke zu schließen. Was wesentlich dazu beigetragen hat, dass Trump 2016 ins Weiße Haus einziehen konnte.
Doch auch der selbst ernannte Held der vergessenen Wutbürger hat das Leben seiner Anhänger kaum verbessert. Im Gegenteil, die soziale Ungleichheit ist unter Trump eher noch größer geworden.
Von Clinton bis Trump: Keiner konnte die soziale Spaltung aufhalten
Biden nimmt nun einen neuen Anlauf, das zu ändern. Er setzt dabei auf ein Team von Fachleuten, die sich seit Jahren damit beschäftigen, die berüchtigten „amerikanischen Verhältnisse“ für die Schwachen im Lande zu verbessern. Die designierte Finanzministerin Janet Yellen ist eine ausgewiesene Arbeitsmarktexpertin, die während ihrer Zeit als Chefin der US-Notenbank mehr auf die Arbeitslosenquote als auf die Inflationsrate geachtet hat.
Sie wolle, dass das Finanzministerium „jeden Morgen aufwacht und über die Arbeit, die Löhne, die Kämpfe, die Hoffnungen und die Würde der Menschen nachdenkt“, sagte die 74-Jährige. Und auch Cecilia Rouse als Wirtschaftsberaterin und Neera Tanden als Bidens Budget-Chefin haben in ihren früheren Jobs gegen soziale Ungleichheit gekämpft.

Der gewählte Präsident („president-elect“) der USA stellt bei einer Veranstaltung im The Queen Theater seine designierte Finanzministerin, die ehemalige Präsidentin der Federal Reserve, vor.
Das Team Biden profitiert aber auch vom Scheitern seiner Vorgänger. Inzwischen ist die Erkenntnis, dass die Globalisierung nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer erzeugt, unter Ökonomen kaum noch umstritten. Heute wissen wir, dass der technologische Wandel nicht nur schöpferisch zerstören darf, sondern auch kreativ eine Lebensperspektive für jene aufbauen muss, die nicht immer mit ihm Schritt halten können.
So gut die personellen und intellektuellen Voraussetzungen sind, so schwierig könnten die politischen Rahmenbedingungen für Bidens progressive Wirtschaftsagenda werden. Nur wenn die Demokraten Anfang Januar die Stichwahlen für den US-Senat gewinnen, kann der neue Präsident seine Politik für die kleinen Leute durchsetzen. Ansonsten droht ihm eine Blockade durch die republikanischen Senatoren, die plötzlich ihre Abneigung gegen hohe Haushaltsdefizite und Schulden wiederentdeckt haben.
Mehr: Was Bidens Personal über seinen Wirtschaftskurs verrät.
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