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Kommentar Boris Johnsons nächste Aufgabe ist härter als der Brexit

Mit dem Brexit hat Boris Johnson sich ein Denkmal gesetzt. Doch die Zweifel der Briten an ihrem Premier wachsen – und der wahre Test kommt erst noch.
09.08.2021 - 09:37 Uhr Kommentieren
Wird es eine Johnson-Ära geben, oder wird der britische Premierminister schnell wieder in der Versenkung verschwinden? Quelle: Reuters
Boris Johnson

Wird es eine Johnson-Ära geben, oder wird der britische Premierminister schnell wieder in der Versenkung verschwinden?

(Foto: Reuters)

Boris Johnson ist einer der auffälligsten Politiker Europas. Im Kreise der Kollegen sticht er mit seiner Strubbelfrisur hervor. Auch mit seinem Handeln stellt er sicher, dass er wahrgenommen wird. Er hat den Habitus des Zeitungskolumnisten nie abgelegt und provoziert gern – besonders den großen Nachbarn EU.

Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt ist aber immer noch nicht klar: Wird er ein Premier mit Gestaltungskraft sein wie Margaret Thatcher und Tony Blair? Wird es eine Johnson-Ära geben, oder wird er schnell wieder in der Versenkung verschwinden?

Den Eintrag in die Geschichtsbücher hat er sich schon mit dem Brexit gesichert. Ohne Johnson hätte es den Austritt aus der EU wohl nicht gegeben. Egal ob man das historische Ereignis positiv oder negativ bewertet: Radikal war es in jedem Fall. Als Langzeitfolge könnten obendrein Nordirland oder Schottland das Königreich verlassen. Mehr Disruption geht nicht.

Johnsons Problem besteht jedoch darin, dass er seinen größten „Erfolg“ nun schon hinter sich hat. So spektakulär wie der Brexit wird es nicht mehr. Wenn dann auch noch der Corona-Ausnahmezustand endet, steht der Premier vor einer ungleich schwereren Aufgabe: die vielen Baustellen im Land anzugehen.

Nach dem Sommer wartet die politische Normalität: Pflegereform, Defizitabbau und der grüne Umbau der Wirtschaft. Öde Alltagspolitik aus Sicht des Kolumnisten. Hier reichen große Versprechen auf Dauer nicht, Johnson muss liefern. Und er wird dafür unpopuläre Entscheidungen treffen müssen, allen voran in der Steuerpolitik.

Als Überschrift für den Rest seiner Amtszeit hat Johnson das „Levelling up“ gewählt. Darunter versteht er die Angleichung der Lebensumstände im Land – zwischen dem reichen Südosten um die Hauptstadt London und dem Rest. Das Vorhaben ist weder neu noch einfach. Unzählige Regierungen haben sich bereits die Zähne daran ausgebissen. Viel spricht dafür, dass es Johnson nicht anders ergehen wird.

Staatsinterventionen sind wieder salonfähig geworden

Zwar hat er das Glück, dass Staatsinterventionen in der Coronakrise wieder salonfähig geworden sind. In einem Land, das 40 Jahre lang einen strammen Privatisierungskurs gefahren hat, ist das ein Paradigmenwechsel. Die tiefe Abneigung gegen Staatshilfen war ein Grund, warum die strukturschwachen Regionen in den vergangenen Jahren immer weiter abgehängt wurden. Dank des neuen Zeitgeistes dürfte Johnson es nun leichter fallen, lenkend einzugreifen. Seit dem Brexit kann er zudem Subventionen ohne Erlaubnis aus Brüssel vergeben.

Allerdings sind Zweifel an den Einflussmöglichkeiten des Staates angebracht, und die Coronakrise hat ein riesiges Loch in den Staatshaushalt gerissen. Johnson steht vor einem Dilemma: Entweder vergrößert er den Schuldenberg oder erhöht die Steuern, wenn er seine Infrastrukturprogramme finanzieren will. Keine dieser Optionen ist in seiner konservativen Partei wohlgelitten.

Die Angleichung der Lebensverhältnisse ist eine Mammutaufgabe. Johnson empörte sich kürzlich darüber, dass die Bewohner Yorkshires inzwischen ärmer seien als die Menschen in Ostdeutschland. Er erwähnte lieber nicht, dass das deutsche Modernisierungsprogramm durch den Solidaritätszuschlag finanziert wurde.

Eine solche Sondersteuer ist in England undenkbar. Um Steuererhöhungen wird Johnson aber nicht herumkommen, wenn das „Levelling up“ nicht nur eine Phrase bleiben soll. Die Anhebung des Körperschaftsteuersatzes von 19 auf 25 Prozent hat er bereits angekündigt, weitere Abgaben werden erwartet.

Außer dem Brexit hat Johnson nicht viel vorzuweisen

Auch die „grüne Revolution“, die Johnson versprochen hat, erfordert Milliarden-Investitionen. Mit dem Verbrennerverbot für 2030 hat er eines der ambitioniertesten Ausstiegsziele weltweit verkündet. Nun muss er dafür sorgen, dass die Infrastruktur für die E-Autos bis dahin steht.

Mit dem Brexit mag der Tory sich ein Denkmal für die Nachwelt gesetzt haben. Doch sonst hat er nicht viel vorzuweisen. Im Alltag spüren die Briten bisher vor allem die Nachteile des EU-Austritts. Er verschärft den Arbeitskräftemangel und belastet den Außenhandel.

Auch mit seiner Corona-Bilanz kann Johnson nicht punkten. Die schnelle Impfkampagne bescherte ihm im Frühjahr zwar ein Umfragehoch. Doch ist dieser Effekt verpufft, seit die EU den Rückstand aufgeholt hat. Und Johnson hat weiterhin die höchste Corona-Opferzahl Europas zu verantworten.

Kein Wunder, dass die Zweifel der Briten an ihrem Premier wachsen: Die Mehrheit findet, er mache einen schlechten Job. Auch Populisten, so scheint es, werden früher oder später an ihren Resultaten gemessen.

Mehr: Britische Autobranche drängt auf Gigafactories.

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