Kommentar Bus und Bahn: Die Werbekampagne der Verkehrsbetriebe ist fahrlässig

Mit einer Werbekampagne rufen Betreiber von Bussen und Bahnen die Menschen auf, trotz Corona-Pandemie den öffentlichen Nahverkehr stärker zu nutzen.
Düsseldorf Das öffentliche Leben in Deutschland ist weitgehend heruntergefahren. Im Kampf gegen das Coronavirus dürfen viele Kinder nicht in die Schule oder Kita, Betriebe stehen still – wer kann, schickt seine Angestellten ins Homeoffice. Und die Verkehrsbetriebe? Die treiben eine Kampagne voran, mit der sie die Menschen dazu aufrufen, Bus und Bahn zu nutzen. Das Vorgehen ist verantwortungslos.
Initiator der Kampagne ist der Branchenverband des öffentlichen Verkehrs VDV. Überall in Deutschland ließ er schon im Herbst Plakate aufhängen mit dem Slogan „Ich bin Wiedereinsteiger*in“. Viele hängen bis heute. Der VDV spricht sich dafür aus, inmitten der grassierenden Pandemie Busse und Bahnen zu stärken und behauptet auf der Website der Kampagne: „Die Ansteckungsgefahr ist dabei grundsätzlich sehr gering.“
Das ist nicht nur eine steile These. Die Aussage ist fahrlässig. Ob und wie hoch das Infektionsrisiko in Bussen und Bahnen ist, hängt von vielen Faktoren ab. Müssen Passagiere eng gedrängt stehen, helfen auch Masken nicht mehr viel.
Zudem hatte das Robert Koch-Institut mehrfach darauf verwiesen, dass Infektionsketten im öffentlichen Nahverkehr sehr schwer nachzuvollziehen und deshalb in den Statistiken unterrepräsentiert sind.
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Die Deutsche Bahn hatte sich zu Recht im vergangenen Jahr entschieden, ihre Werbemaßnahmen weitgehend einzustellen. Das Bahn-Management hielt Werbung angesichts der Pandemie für unangemessen. Das war die richtige Entscheidung.
Über Jahre waren die kommunalen Verkehrsunternehmen steigende Passagierzahlen mit steigenden Ticketeinnahmen gewöhnt. Der drastische Rückgang aufgrund der Pandemie sorgt für Probleme. Für dieses Jahr erwartet der VDV einen Umsatzrückgang um 3,5 Milliarden Euro.
Unklare Risiken für Infektionen im ÖPNV
Das rechtfertigt aber noch lange keine Werbekampagne mitten in einer Pandemie. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe und der VDV scheinen sich ihrer Verantwortung nicht bewusst zu sein. Passagiere in einer falschen Sicherheit zu wiegen ist nicht nur unangebracht, damit wird auch mit ihrer Gesundheit gespielt.
Die genauen Risiken für Corona-Infektionen in Bussen und Bahnen sind noch nicht abschließend geklärt. Der jüngste Fall eines Mannes aus Nordchina, der mehr als 100 Personen angesteckt haben soll, wirft neue Fragen auf, ob nicht der Nahverkehr eine größere Rolle spielen könnte als bislang gedacht.
Solange nicht alle Fakten klar sind, ist oberste Vorsicht geboten. Die lassen die Verkehrsbetriebe und der Branchenverband VDV vermissen. Die Werbekampagne sollte schnell gestoppt werden.
Mehr: Corona-Pandemie: Dem Nahverkehr fehlen mehr als 3,5 Milliarden Euro.
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