Kommentar: Corona-Verantwortung der WHO: Trump hat ausnahmsweise recht

Die Weltgesundheitsorganisation könnte mit den USA ihren größten Geldgeber verlieren.
Washington. Wie immer, wenn Donald Trump Entscheidungen verkündet, gibt er auch diesmal nicht viel auf Stilfragen. Dass die USA die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorerst einstellen, gab der amerikanische Präsident während seines täglichen Corona-Briefings bekannt.
Trump weiß genau, wie viele Millionen Fernsehzuschauer er auf diesem Weg erreicht. Und dass für viele seiner Anhänger internationale Organisationen ohnehin unter dem Generalverdacht der unamerikanischen Umtriebe stehen.
Ob die USA den Geldkatheter dauerhaft zudrehen, will Trump nach einer Untersuchung über die Rolle der WHO in der Coronakrise entscheiden. „Mein Eindruck ist, dass sie zu sehr auf China fokussiert war“, nahm Trump das mutmaßliche Urteil gleich mal vorweg.
Die feine amerikanische Art wäre eine andere gewesen: erst die Missstände untersuchen, dann auf Veränderungen drängen. Und erst wenn das nicht fruchtet, die Zahlungen einstellen.
Die Haltungsnote für Trump fällt also wieder mal ungenügend aus, aber – und das ist ein großes Aber: Inhaltlich hat Trump ein Argument. Die WHO hat die Schwere der Corona-Pandemie zu spät erkannt.
WHO soll auf Informationen aus Taiwan nicht reagiert haben
Noch am 14. Januar hat die Organisation behauptet, es bestehe kein klarer Beleg dafür, dass sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch übertrage. Offenbar haben sich die WHO-Experten zu sehr auf die Abwiegeleien der chinesischen Behörden verlassen.
Der weiter gehende Verdacht ist es, der den eigentlichen Skandal ausgemacht: dass die WHO nämlich gleichzeitig Alarmbotschaften aus Taiwan negiert hat, um die mächtige chinesische Regierung nicht zu verärgern.
Bereits am 31. Dezember 2019 will Taiwan der WHO Informationen über Corona-Infektionen von Mensch zu Mensch übermittelt haben – auf die die WHO aber nicht reagiert habe. Am selben Tag begann Taiwan, Flugpassagiere aus dem damaligen Corona-Hotspot Wuhan zu überwachen.
Auch in den folgenden Wochen gehörte Taiwan zu den Vorreitern beim Kampf gegen Corona. Hätte die WHO frühzeitig Taiwans Weg als Vorbild für den Rest der Welt empfohlen, hätten womöglich Tausende von Menschenleben gerettet werden können.
Nach einem bloßen Betriebsunfall sieht das nicht aus. Die Machthaber in Peking betrachten Taiwan als abtrünniges Gebiet und verhindern systematisch, dass Taiwans demokratisch gewählte Regierung in internationalen Organisationen Einfluss nehmen kann. Taiwan ist kein WHO-Mitglied, aus den Vereinten Nationen wurde das Land auf Druck Pekings ausgeschlossen.
Wissenschaft beruht auf dem freien Austausch von Informationen. Sollten in der WHO Erkenntnisse von Ärzten aus Taiwan tatsächlich aus politischen Gründen unter den Tisch gekehrt worden sein – dann ist aller Druck aus Washington gerechtfertigt, um diesen Skandal aufzuklären.
Fraglich allerdings ist, ob Trumps Gepolter dem richtigen Ziel dient. Sollten sich die USA beleidigt aus der WHO zurückziehen, wird sich vor allem China über diesen Machtzuwachs freuen.
Sinnvoller wäre es, wenn die USA gemeinsam mit den Europäern und dem WHO-Großspender und Microsoft-Mitgründer Bill Gates ihren Einfluss geltend machen, damit Taiwan zumindest eine eingeschränkte Mitgliedschaft in der Gesundheitsorganisation erhält.
Mehr: Corona zwingt Trump zu einer Strategieänderung im US-Wahlkampf.





