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Kommentar Cum-Ex-Entscheidung: Endlich bietet der Rechtsstaat der Finanzindustrie die Stirn

Die deutsche Justiz hat die Finanzindustrie lange geschont. Die BGH-Entscheidung zu Cum-Ex ist nun der überfällige Wendepunkt. Banker werden verurteilt, Banken müssen zahlen.
29.07.2021 - 15:20 Uhr 3 Kommentare
Mit der Cum-Ex-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insofern einen Paradigmenwechsel vollzogen. Quelle: imago/Steinach
Bundesgerichtshof

Mit der Cum-Ex-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insofern einen Paradigmenwechsel vollzogen.

(Foto: imago/Steinach)

Düsseldorf Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, und das in einer Klarheit, die keinen Spielraum für Interpretationen hinterlässt: Steuergeschäfte zulasten der Allgemeinheit sind strafbar und müssen sanktioniert werden.

Die Entscheidung bestätigt ein Urteil des Landgerichts Bonn, in dem zwei britische Aktienhändler wegen Mittäterschaft und Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt wurden. Außerdem hatte das Gericht bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg die Einziehung von 176 Millionen Euro Steuern angeordnet. Dabei handelt es sich um Kapitalertragsteuern, die sich das Institut zu Unrecht hatte erstatten lassen.

Karlsruhe hat die Revisionen verworfen und sendet damit zwei zentrale Botschaften. Erstens: Steuerhinterzieher müssen sich vor Gericht verantworten. Sie können nicht darauf setzen, das Problem mit Geld zu lösen und so um eine Anklage herumzukommen. Angesichts der Schwere der Straftaten drohen ihnen hohe Haftstrafen. Zweitens: Banken müssen für Schäden aufkommen, die sie durch den Griff in die Steuerkasse dem Staat und letztlich jedem Bürger zugefügt haben. Dafür hat der Gesetzgeber der Justiz ein sehr wirksames Mittel an die Hand gegeben: das neue Einziehungsrecht. Damit ist es viel leichter möglich, den Tätern die Beute wieder abzunehmen.

Das ist auch dringend notwendig. Denn die Cum-Ex-Deals waren eine besonders perfide Masche, den Staat auszunehmen. Die Aktienkreisgeschäfte rund um den Ausschüttungstermin mit (cum) und ohne (ex) Dividende zielten allein darauf, sich Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, die nicht abgeführt worden war. Es handelte sich um ein Verwirrspiel, an dem viele Banken mitwirkten – und insgesamt zwölf Milliarden Euro aus der Steuerkasse nahmen, wie Experten schätzen. Die Beteiligten setzten darauf, dass der Code für dieses komplizierte Konstrukt niemals geknackt werden würde.

Er wurde geknackt, weil einige Staatsanwaltschaften sich der scheinbaren Übermacht der Finanzindustrie entgegenstellten. Sie legten das industrielle Ausmaß der Steuerhinterziehung offen. Cum-Ex-Geschäfte waren nur möglich, wenn viele Beteiligte zusammenwirkten und sich eng miteinander abstimmten.

Die zentralen Spieler waren Leerverkäufer und -käufer, Broker und Börsen, Depotbanken und Fremdkapitalgeber. Damit alles ohne Kursrisiken ablaufen konnte, sicherten Banken die Geschäfte zudem mit Derivaten ab. Rund 100 Ermittlungskomplexe und deutlich über 1000 Beschuldigte sind die Folge. Zweifellos handelt es sich um den größten Steuerskandal, den Deutschland je gesehen hat.

Fundament für eine konsequente Aufarbeitung

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung das Fundament dafür gelegt, dass die juristische Aufarbeitung konsequent fortgesetzt werden kann. Die Richter haben auch die letzten Zweifel daran beseitigt, dass die Deals strafbar waren. Karlsruhe verschafft damit dem Legalitätsprinzip neue Geltung.

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Nach diesem zuletzt vernachlässigten Grundpfeiler unseres Rechtsstaats müssen Strafverfolgungsbehörden ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn sie Kenntnis von einer möglichen Straftat haben. Und daraus erwächst eine Anklage, sofern die Behörde zu der Einschätzung gelangt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als die eines Freispruchs.

Zwangsläufig werden den erst wenigen Anklagen viele weitere folgen. Einstellungen nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung gegen eine Geldauflage aber ohne Gerichtsverfahren sollten unter diesen Voraussetzungen die Ausnahme bleiben. Zu schwer sind die Vergehen, die zahlreiche Banker, einige Juristen und Berater und auch einzelne Investoren begangen haben.

Der Bundesgerichtshof beendet mit seiner Entscheidung auch eine Phase, in der die deutsche Justiz die Finanzindustrie teilweise äußerst nachsichtig behandelte. Staatsanwaltschaften und Gerichte ließen zu oft mit sich reden. Am Ende gab es selbst bei schweren Steuerdelikten häufig einen Kuhhandel. Das Ergebnis: Die Bank zahlt, und die Verantwortlichen werden nicht auf die Anklagebank gesetzt, geschweige denn verurteilt.

Beste Beispiele sind die Schwarzgeldexzesse vieler Geldhäuser, die ihren Kunden aktiv dazu rieten, ihr Erspartes vor dem Fiskus zu verstecken. Die Justiz kassierte daraufhin einige Millionen Euro von den Banken, Anklagen gab es so gut wie nie. Es war eine Art moderner Ablasshandel. Die abschreckende Wirkung auf Kriminelle war sehr begrenzt.

Mit der Cum-Ex-Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insofern einen Paradigmenwechsel vollzogen. Das ist ein ermutigendes Signal. Der Rechtsstaat erweist sich als wehrhaft. Selbst gegen eine mächtige Industrie kann er etwas ausrichten. Und die Bürger können darauf hoffen, dass die hinterzogenen Steuern zumindest teilweise wieder zurückfließen und Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden.

Mehr: Warum die Entscheidung des BGH weitreichende Folgen für die Finanzbranche hat

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3 Kommentare zu "Kommentar: Cum-Ex-Entscheidung: Endlich bietet der Rechtsstaat der Finanzindustrie die Stirn"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Schade, dass die letzten Bergwerke an der Ruhr Vergangenheit sind. Dort hätten viele Cum-Ex--Straftäter lernen können, was es heißt mit ehrlicher Arbeit Geld zu verdienen.

  • Jeder private Aktienanleger wird das Urteil des BGH innig begrüßen.
    Auch wenn mann die fast gänzlich erblindete, alte Dame "Justitia" nur mit Mühe an die Orte der Übeltäter führen mußte so hat Sie schlußendlich obsiegt.
    Nur schade , dass die überführten Missetäter eine Pauschalstrafe erwartet und nicht wie in den USA für jedes einzelne Delikt abgestraft wird, um am Ende ein kumulatives Strafmaß entgegen zu nehmen.

  • Ehrlichkeit währt doch am längsten.

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