Kommentar Daimler spart bei Forschung und Entwicklung – das könnte sich rächen

Gemessen am Umsatz liegen die Stuttgarter mit ihren Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich hinter BMW und Audi
Wenn Daimler kommende Woche zur virtuellen Hauptversammlung lädt, dann ist formal fast alles in Ordnung. Konzernchef Ola Källenius hat in der Corona-Zeit einen ordentlichen Job gemacht und liefert mehr Gewinn als gedacht. Das liegt am Chinaboom, vielen teuren SUVs und einem strikten Sparkurs. Letzterer wirft aber Fragen auf.
Daimler hat im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro weniger für Forschung und Entwicklung (F&E) ausgegeben als 2019. Auch der Rivale BMW hat seine Zukunftsausgaben leicht reduziert. Gemessen am Umsatz liegen die Stuttgarter mit ihren F&E-Ausgaben aber deutlich hinter BMW und Audi. Das lässt die Bilanz finanziell in einem besseren Licht erscheinen, ist aber langfristig das falsche Signal.
Denn die Prioritäten am Kapitalmarkt verschieben sich. Einst waren die Kennziffern wie Absatz, Gewinn und Ertrag in der Autoindustrie das entscheidende Kriterium. Das hat sich aber mit dem Aufstieg von Tesla und den verschärften Klimazielen in der EU geändert.
Die Autoindustrie ist mitten in der Transformation zur Elektromobilität und zu digitalen Geschäftsmodellen. Wer jetzt stehen bleibt, ist Ende des Jahrzehnts aus dem Spiel. Das ist mittlerweile die vorherrschende Sicht der Investoren auf die Autohersteller.
Bewertet wird die Fähigkeit zur Transformation. Nur wer da massiv investiert, wird in zehn Jahren noch ein tragfähiges Geschäftsmodell haben. Heute fahren neun von zehn verkauften Autos noch einen Verbrennungsmotor. Ende des Jahrzehnts dürfte sich das Verhältnis in einigen Weltregionen wie Nordeuropa umgekehrt haben. Dann ist das Auto auch Teil eines digitalen Ökosystems.
Ob die Autohersteller oder Google, Apple oder Baidu diese Systeme kontrollieren, ist offen. Man muss eben in beides investieren: in Elektroantriebe und das digitale Ökosystem.
Das ist der Grund, warum Tesla heute mehr wert ist als die drei großen Autohersteller zusammen. Tesla wird als Technologiekonzern bewertet und eben nicht als Autokonzern. Das will auch Volkswagen – und bricht derzeit am radikalsten mit der Vergangenheit. Die Wolfsburger haben neben Tesla den konsequentesten Transformationsplan auf dem Tisch und wurden in den vergangenen Wochen an der Börse dafür gefeiert.
Nun sind steigende Börsenkurse allein kein Indiz für Zukunftsfähigkeit. Und es gibt auch in diesen Zeiten sicher Luft in den Entwicklungsetats; nicht jedes Projekt muss sofort umgesetzt werden. Aber zumindest das Niveau der deutschen Konkurrenten sollte Daimler erreichen. Die Investoren werden es zu schätzen wissen.
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