Kommentar Das Baukindergeld steht für unsoziale Politik

Bauarbeiter arbeiten am Neubau eines Mehrfamilienhauses im städtebaulichen Großprojekt Wasserstadt Limmer.
Wohnen ist die neue soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Mehr Singlehaushalte und eine höhere Zuwanderung haben die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt verschärft, niedrige Zinsen und die hohe Nachfrage ausländischer Investoren nach deutschen Immobilien haben die Immobilienpreise in die Höhe schießen lassen.
Das alles erklärt aber nicht, warum sich Otto Normalverdiener in Deutschland kaum noch Eigentum leisten kann, sondern nur noch Erben, Gründer und Spitzenverdiener. Die neue Wohnungsnot liegt an etwas anderem: an rigorosem Politikversagen.
Exemplarisch dafür steht das Baukindergeld, das Ende dieses Monats Gott sei Dank ausläuft. Die Subvention zeigt wie unter einem Brennglas, wie die Politik Wohnraumpolitik immer vom falschen Ende her aufzäumt. Und wie die Bundesregierung, man muss es so hart sagen, eine asoziale Politik in einer sozialen Frage betreibt.
Statt für mehr Wohnraum zu sorgen, treibt die Politik mit der Subvention die Immobilienpreise in die Höhe. Statt die hohen Nebenkosten zu senken, kuscht die Politik vor der Immobilienbranche. Und statt der Mittelschicht die Chance zu geben, Immobilienbesitz als Ruhekissen fürs Alter aufzubauen, soll sie in Form höherer Steuern bluten. Ergebnis: Die Zahl derer, die in den eigenen vier Wänden leben, ist in Deutschland erstmals rückläufig, trotz Baukindergeld. So geht schlechte Politik.
Zehn Milliarden Euro hat sich die Politik das Baukindergeld kosten lassen. Die Bilanz fällt genau so aus, wie es alle vorhergesagt haben: verheerend. Zwar kamen rund 310.000 Familien mit Durchschnittseinkommen in den Genuss der Förderung. Der überwältigende Teil davon hätte sich aber auch so eine Wohnung gekauft.
Der große Mitnahmeeffekt
Denn die Förderung spielte im Verhältnis zum Kaufpreis nur eine kleine, in vielen Regionen Deutschlands angesichts der gestiegenen Preise sogar marginale Rolle. Familien, die sich vorher kein Eigentum leisten konnten, können es auch jetzt nicht.
Das Baukindergeld erzeugt damit nichts anderes als einen großen Mitnahmeeffekt. Die Einzigen, die sich freuen können, sind Wirtschaftsprofessoren. Sie können ihre Studenten künftig anhand des Baukindergelds lehren, wie viel Quatsch eine Regierung mit nur einer einzigen Subvention anstellen kann.
Bundespolitiker und Ministerpräsidenten lamentieren zwar gern darüber, wie angespannt der Wohnungsmarkt ist, wie ach so gierige Investoren die Preise steigen lassen. Doch das sind nichts als Krokodilstränen und Ablenkungsmanöver. Denn sie selbst haben maßgeblich für die Misere gesorgt.
Als im Zuge der Föderalismuskommission die Kompetenz für die Grunderwerbsteuer 2006 vom Bund an die Bundesländer überging, hatten die Ministerpräsidenten nur noch Euro-Zeichen vor Augen, die Mittelschicht geriet dabei aus dem Blick.
Die Länder trieben die Steuer im Nu von 3,5 Prozent immer weiter nach oben, heute liegt sie in einigen Bundesländern bei 6,5 Prozent. Und in ein paar Jahren wird für Immobilienbesitzer in halbwegs guten Lagen auch die Grundsteuer steigen. Auch das dürfte potenzielle Käufer abschrecken.
Mittelschicht muss bluten
Während die Politik die Mittelschicht bedenkenlos zahlen lässt, traut sie sich gleichzeitig nicht, die üppigen Auskommen von Notaren und Maklern zu beschneiden. Insbesondere die Unionsfraktion hält die schützende Hand über die Zunft. Warum aber Makler prozentual abhängig vom Kaufpreis bezahlt werden – niemand kann es einem erklären.
Grunderwerbsteuer, Makler- und Notarkosten führen in Deutschland in der Summe zu exorbitant hohen Nebenkosten und sind ein zentraler Grund, warum sich junge Familien kein Eigentum leisten können.
Denn es ist nicht nur sehr viel Erspartes erforderlich, um die Nebenkosten aufbringen zu können. Die Ausgaben werden auch noch vom Eigenkapital abgezogen, was wiederum die Kreditkonditionen verteuert. Dabei ist gute Wohnraumpolitik gar nicht so schwer.
In Deutschland lähmt gewaltige Bürokratie sowie die Angst vor Umweltklagen jeden Vorstoß, mehr Wohnraum zu schaffen. Martin Greive
Die Niederlande machen vor, wie es geht. Dort sind Neubauten von der Grunderwerbsteuer befreit, um Wohnraum zu schaffen. Die Maklerkosten betragen nicht pauschal vier bis sieben Prozent, sondern maximal zwei Prozent. Teurer wird’s nur, wenn der Makler eine zusätzliche Leistung erbringt.
Auch haben die Niederlande die Bauvorschriften entrümpelt. In Deutschland dagegen lähmt gewaltige Bürokratie sowie die Angst vor Umweltklagen jeden Vorstoß, mehr Wohnraum zu schaffen. Es bräuchte neuen Mut, sich mit Lobbygruppen, Besitzstandswahrern in den Verwaltungen und Bürgerinitiativen anzulegen, statt mit Geldbeglückungsprogrammen durchs Land zu ziehen. Doch den bringt die Politik nicht auf.
Die Parteien diskutieren lieber über ein Umwandlungsverbot von Mietshäusern in Eigentumswohnungen. Die SPD will die bislang nach zehn Jahren geltende Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne nicht selbst genutzter Grundstücke abschaffen. Und Vertreter von CDU/CSU haben auch schon eine klasse Idee: Spätestens nach der Bundestagswahl im Herbst wollen sie das Baukindergeld neu auflegen.
Mehr: Mit dem Baukindergeld in die eigenen vier Wände: Was hat es gebracht – und wie geht es weiter?
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Ich wundere mich (oder auch nicht), dass der Kommentar auf die explodierenden Grundstückspreise mit keinem Wort eingeht. Der Anteil am Anstieg der Immobilienpreise ist weitaus größer als jede Grunderwerbsteuer.