Kommentar: Das Impeachment-Verfahren wird scheitern

Das Repräsentantenhaus hat ein Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump eröffnet. Er muss sich nun dem Senat stellen. Der wird allerdings von den Republikanern dominiert, die bisher geschlossen zu ihm halten.
Es gibt niemanden in der westlichen Welt, der über so viel Macht verfügt wie der Präsident der Vereinigten Staaten. Als Chef der Exekutive herrscht er gleichsam über das Militär, die Außenpolitik, den Beamtenapparat und die Geheimdienste.
Um sicherzustellen, dass der Präsident, der Immunität vor Strafverfolgung genießt, nicht allzu viel Schaden anrichten kann, haben die amerikanischen Gründungsväter das Impeachment-Verfahren ersonnen. Der Präsident soll stets die Gesetze achten und sein Amt gewissenhaft ausüben, steht in der Verfassung von 1787. So ist es auch im Amtseid niedergeschrieben, den alle Präsidenten ablegen.
Donald Trump hat einen Meineid geleistet, als er im Januar 2017 vor auf den Stufen des Kapitols seinen Schwur ablegte – das zumindest ist die Sicht der Demokraten.
Nun muss sich der 45. amerikanische Präsident einem solchen Impeachment-Verfahren stellen. Mit der Mehrheit der Demokraten votierte die Kammer in zwei Abstimmungen dafür, dass Trump sich wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Kongress-Ermittlungen wegen der Ukraine-Affäre im Senat verantworten muss.
Das ist erst das dritte Mal in der amerikanischen Geschichte, dass es so weit kommt – nach Andrew Johnson im Jahr 1868 und Bill Clinton 1998. Beide Versuche scheiterten im Senat. Richard Nixon, der vierte Präsident, dem eine Amtsenthebung drohte, entging dem Verfahren in den 70er-Jahren durch einen von seinen Parteikollegen erzwungenen Rücktritt. Dass Donald Trump das gleiche Schicksal ereilt, ist kaum denkbar.
Das Impeachment ähnelt einem juristischen Verfahren, es ist aber keins. Am Ende ist nicht die Wahrheitsfindung entscheidend, nicht die Frage, ob der Präsident sich an die Gesetze gehalten hat. Entscheidend sind vielmehr die politischen Stimmungen – das gilt sowohl für die Mitglieder des Kongresses als auch für die Bevölkerung als Ganzes. Ja, Donald Trump wird angeklagt vom Repräsentantenhaus. Ja, es wird ein Makel bleiben auf seiner Präsidentschaft. Auch Donald Trump wird sich kaum damit brüsten können, dass sich eine Kammer des Parlaments, immer noch die zentrale Institution einer Demokratie, sich des Präsidenten entledigen will.
Am Ende dieses Verfahrens aber steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Freispruch für Donald Trump durch den republikanisch dominierten Senat. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung werden die Demokraten nicht erreichen. Und Trump wäre nicht Trump, würde er diesen Freispruch nicht für den Wahlkampf nutzen.
Nancy Pelosi vs. Trump
Nancy Pelosi ist eine kluge und erfahrene Politikerin. Die Mehrheitsführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus weiß, warum sie sich so lange gegen dieses Verfahren zur Wehr gesetzt hat. Nicht nur, weil die Mehrheitsverhältnisse ein Impeachment nahezu unmöglich machen – und mögen die Vorwürfe gegen den Präsidenten noch so triftig sein.
Pelosi ahnte schon während der Russlandermittlungen, dass Trump dieses Verfahren instrumentalisieren würde, um sich als Opfer einer Washingtoner Elite zu inszenieren, die in weiten Teilen des Landes tatsächlich verhasst ist. Als Opfer einer Elite, die sich gegen das Wahlvolk verschworen hat, um einen rechtmäßig gewählten Präsidenten abzuservieren.
Pelosi erkläre der „amerikanischen Demokratie den Krieg“, schreibt der Präsident in einem öffentlichen Brief an sie. Und er spricht von einer „Perversion der Justiz und des Machtmissbrauchs“. Das ist die Sprache Trumps. Und man braucht keine sonderlich ausgeprägte Fantasie, um sich vorzustellen, wie der Präsident mit dieser Rhetorik die Wahlkampfsäle Arizonas, Floridas, Michigans und anderer für die Präsidentschaftswahlen entscheidender Swing-States überkochen lassen wird.
In der Ära Trump gibt es zwei Amerikas, das haben schon die Anhörungen im Kongress mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Es gibt keine Mitte mehr, die die kritische Masse hätte, die Stimmung in die eine oder andere Richtung kippen zu lassen. In der Ära Nixon gab es die kritische Masse der Gemäßigten, die sich am Ende gegen den Präsidenten wandte. In Trumps Zeiten stehen sich die beiden Lager wie einbetoniert gegenüber. Nicht mal auf die simpelsten Tatsachen können sich Republikaner und Demokraten noch einigen. Trump hat mit seiner Fake-News-Ideologie ganze Arbeit geleistet.
Egal, mit welchen Regeln er bricht – und spätestens seit den Anhörungen dürfte klar sein, dass es nicht nur die Regeln des Anstands sind – er kann sich auf seine Unterstützer verlassen. Dass Trump allein dadurch gegen das Gesetz verstoßen hat, indem er ausländische Unterstützung für seinen Wahlkampf anforderte, ist augenscheinlich. Um das festzustellen, hätte es keiner Zeugenaussagen im Kongress bedurft. Es lässt sich nachlesen im Protokoll jenes Telefonats, in dem Trump seinen ukrainischen Kollegen Wolodimir Selenski aufforderte, sich seinen Rivalen „Joe Biden genauer anzusehen“.
Trumps Unterstützer wollen das nicht wahrhaben. Sie haben sich in Trumps Scheinwelt aus Verschwörungstheorien, maßlosen Übertreibungen und offensichtlichen Unwahrheiten eingerichtet. Diese Scheinrealität übt auf Trumps Unterstützer eine solche Anziehungskraft aus, dass die Ratio chancenlos ist. Am Ende wird die Fiktion zur Realität.
Mehr: Machtmissbrauch und Behinderung des Kongresses: Wegen dieser Anklagepunkte muss sich Donald Trump im Impeachment-Verfahren verantworten.





