Kommentar Das Virus spaltet die Weltwirtschaft – Der Norden muss dem Süden helfen

Corona und vor allem die Delta-Variante spalten die Welt in Nord und Süd.
Jahrelang waren die Schwellenländer die Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Nicht mehr länger. Die Pandemie hat auch diesen ökonomischen Trend gebrochen. Impfstoffe, und nicht Wachstumspotenziale entscheiden zumindest kurzfristig über den Wohlstand der Nationen. Und hier gilt die biblische Weisheit: Wer hat, dem wird gegeben.
Rund 40 Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern sind nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) inzwischen vollständig gegen das Coronavirus geimpft. In den sogenannten „Emerging Markets“ sind es nur elf, in den Entwicklungsländern ist es gar nur ein Prozent. Entsprechend haben sich die Gewichte in der Weltwirtschaft verschoben: Die reichen Länder kommen schneller aus der Krise, die ärmeren straucheln. Die sich ausbreitende Delta-Variante verschärft diese Spaltung weiter.
Eine Zeit lang kann das gut gehen. Doch die enormen staatlichen Konjunkturhilfen seit Beginn der Pandemie von insgesamt 4,6 Billionen Dollar werden in den nächsten zwölf Monaten mehr und mehr an Wirkung verlieren. Wie weit sie einen selbst tragenden Aufschwung auslösen können, ist noch nicht absehbar.
Wenn die Industrieländer erst einmal wieder auf dem Wachstumsniveau vor der Krise angekommen sind, erwarten sie dort die alten Probleme: niedriger Produktivitätszuwachs, marode Infrastrukturen sowie ein unbewältigter Technologie- und Klimawandel.
Der reiche Norden muss also ein hohes Eigeninteresse daran haben, dass auch der arme Süden wirtschaftlich schnell wieder auf die Beine kommt. Daran, dass sich der Schwerpunkt der Weltwirtschaft langfristig nach Asien und in andere aufstrebende Wirtschaftsregionen verschiebt, hat auch die Pandemie nichts geändert. Großzügige und unbürokratische Hilfen müssen deshalb für eine schnellere und gerechtere globale Verteilung der Vakzine sorgen.
Inflationssorgen dürfen nicht zu einem übereilten Kurswechsel führen
Der IWF fordert, dass reiche Länder mit Impfstoffüberschüssen in diesem Jahr mindestens eine Milliarde Dosen mit ärmeren Nationen teilen. Davon sind wir noch weit entfernt. Entscheidend ist jedoch der Aufbau von Produktionskapazitäten für Vakzine in Schwellenländern, wie es das US-Außenministerium jetzt von den großen Pharmakonzernen gefordert hat.
Der neue „World Economic Outlook“ des Währungsfonds enthält aber noch eine weitere wichtige Botschaft für die Industrieländer: In den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird die Inflation im nächsten Jahr wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückfallen. Bei aller Unsicherheit, die in dieser Prognose steckt, warnen die IWF-Ökonomen deshalb zu Recht vor einem übereilten Kurswechsel hin zu einer restriktiven Fiskalpolitik. Schnell steigende Zinsen im globalen Norden würden vielen hochverschuldeten Ländern im Süden einen weiteren Tiefschlag versetzen und eine Erholung der Weltwirtschaft zusätzlich gefährden.
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