Kommentar Delisting von Rocket Internet: Samwer nutzt die Coronakrise aus, um billig davonzukommen
Für den Großaktionär und Vorstandschef Oliver Samwer mag der Abschied von der Börse folgerichtig sein: Er ist die leidige Berichtspflicht los, die nicht so richtig zum Geschäft seiner Start-up-Schmiede Rocket Internet passt. Für die Kleinanleger ist die Art des Delistings jedoch eine Zumutung.
Gerüchte, dass Samwer sich mit dem Unternehmen von der Börse verabschieden will, wabern seit zwei Jahren ohne offizielle Bestätigung durch Berlin. Auffällig ist, dass Samwer bei seinen seltenen Auftritten stets die Erwartungen dämpfte.
Der als brillanter Selbstvermarkter geltende Unternehmer schlug plötzlich Molltöne an: Er habe mehr Geld als Ideen, ließ er wissen. Fantasielos dümpelte der Aktienkurs vor sich hin. In der Coronakrise ging es mit der Aktie noch weiter bergab.
Ausgerechnet diese Krisensituation nutzt Samwer nun, um ein niedriges Pflichtangebot an die Aktionäre abzugeben. Das berechnet sich nach dem Durchschnittskurs der vergangenen sechs Krisenmonate. Die Aktionäre bekommen damit nicht einmal die Hälfte des Kurses, den die Aktie beim Börsengang vor sechs Jahren verzeichnet hatte. Der Konzern ist damit auf dem Papier nicht viel mehr wert als seine Geldreserven. Der künftige Eigentümer Samwer schöpft für sich die verborgenen Werte der Beteiligungen ab.
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Der Vorgang zeigt, wie wenig Rechte Minderheitsaktionäre bei einem Delisting haben. Zwar können sie beteiligt bleiben, doch das ist wenig attraktiv, wenn die Papiere nicht mehr regulär gehandelt werden.
Beim Neustart von Rocket Internet werden die Kleinanleger also kaum mehr dabei sein. Samwer wird dann beweisen, ob ihm wirklich die Ideen ausgegangen sind. Wahrscheinlicher ist die wundersame Wiederauferstehung des Samwer’schen Geschäftssinns – ohne Beteiligung der Kleinaktionäre.
Das Experiment einer börsennotierten Start-up-Fabrik ist in jedem Fall gescheitert. Der Boom der Risikokapitalgeber in Deutschland zeigt, dass sich inzwischen genügend privates Geld für die Förderung mobilisieren lässt – ohne lästige Berichtspflichten der Börse und öffentliche Fragestunden bei der Hauptversammlung. Das Geschäft mit dem Aufbau und Weiterverkauf von Start-ups lässt sich mit weniger Transparenz erfolgreicher abwickeln.
Samwers Vermögen hat der Ausflug an die Börse nicht geschadet. Gebeutelt sind dagegen die Kleinanleger der ersten Stunde. Auch die Börsengänge der Rocket-Beteiligungen hinterlassen bislang ein gemischtes Bild. Der Aktienkultur jedenfalls hat Samwer keinen Dienst erwiesen.
Mehr: Kritik an Samwers Börsenrückzug – „Eine bodenlose Frechheit“
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