Kommentar: Der Abstieg des Testmeisters: Die Politik hat sich zu sehr auf Kontaktreduzierung fokussiert

Im Frühjahr 2020 wurde Deutschland noch für seine Test-Strategie gelobt.
Die erste Welle der Corona-Pandemie in Deutschland verlief im europäischen Vergleich eher glimpflich. Als ein Grund, warum die Bundesrepublik vor einem Jahr weniger Infektionen und Todesfälle verzeichnete, galt damals die Teststrategie. Im Januar 2020 hatten Forscher der Berliner Charité den ersten Nachweis für Sars-CoV-2 entwickelt. Auch weil Deutschland früh auf die sogenannten PCR-Tests setzte, konnten die Behörden das Infektionsgeschehen besser überwachen und kontrollieren.
Mittlerweile liegt die Bundesrepublik beim Testen auf den hinteren Rängen. Der Abstieg des einstigen Testmeisters ist ein Beispiel, was bei der deutschen Corona-Strategie nach ersten Erfolgen schiefgelaufen ist. Der Tiefpunkt ist das verschobene Versprechen, den Bürgern kostenlose Schnelltests zu ermöglichen – auch wenn sich das Angebot nur kurz verzögern dürfte und nun zur zweiten Märzwoche umgesetzt werden könnte.
Deutschland verließ sich zu lange nur auf die PCR-Testungen. Das Verfahren gilt zwar als Goldstandard, kleinste Mengen von Virus-Erbgut können nachgewiesen werden. Die PCR-Tests sind allerdings auch sehr aufwendig, es dauerte oft Tage bis zur Vorlage des Ergebnisses. Dazu kommen begrenzte Laborkapazitäten bei dieser Methode.
Schon seit dem Sommer nahm die Bedeutung von Antigen-Schnelltests als Alternative zu. Dieses Verfahren gilt als etwas weniger genau, schlägt bei größeren Virusmengen allerdings verlässlich an – und kann somit infektiöse Menschen identifizieren. Der Vorteil ist nicht nur, dass das Ergebnis nach einer halben Stunde vorliegt. Die Testkapazitäten können deutlich ausgeweitet werden, weil kein Diagnostiklabor benötigt wird.
Alternativen zu wenig im Fokus
Während andere Länder die Antigen-Schnelltests schon einsetzten, schuf die Bundesregierung die rechtlichen Voraussetzungen dafür erst Mitte Oktober. Der Fokus lag zunächst auf Pflegeheimen und anderen Gesundheitseinrichtungen. Erst jetzt geht es darum, kostenlose Schnelltests als Teil einer Öffnungsstrategie breit anzuwenden.
Es wäre zu einfach, die Probleme nur Bundesgesundheitsminister Jens Spahn anzukreiden. Das PCR-Verfahren hatte eine starke Lobby im Robert Koch-Institut, den Experten schien der Goldstandard wichtiger als pragmatische Lösungen. Vor allem aber sind die Versäumnisse beim Testen eine Folge des Kurses, den das Kanzleramt in der Pandemie vorangetrieben hat.
Deutschland hat sich ziemlich einseitig auf Lockdown-Maßnahmen zur Kontaktreduzierung konzentriert. Über Alternativen, die sich mit einer ambitionierten Teststrategie erreichen ließen, wurde politisch zu wenig nachgedacht.




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