Kommentar: Der Brexit unterhöhlt die Dominanz der Londoner City

Europas wichtigstes Finanzzentrum verliert an Wettbewerbsfähigkeit.
Wie schlimm wird der Brexit den Finanzplatz London treffen? Spötter wählen als Analogie den Börsengang des Lieferdienstes Deliveroo. Finanzminister Rishi Sunak feierte es als riesigen Erfolg für die City, dass sich Deliveroo im vergangenen Frühjahr bei seinem milliardenschweren Börsengang für London und gegen New York entschieden hatte. Die Platzierung sollte zur Initialzündung für viele weitere Tech-Börsengänge werden.
Doch leider entpuppte sich Deliveroo als Fehlzündung – am ersten Handelstag brach der Kurs um 30 Prozent ein. Zwar hat es die Aktie zwischendurch einmal knapp über den Ausgabekurs geschafft, aber seither ging es wieder deutlich bergab.
Wird so auch die Zukunft der Londoner City aussehen? Ein stürmisches Auf und Ab, das aber einen langfristigen Abwärtstrend nicht brechen kann? Klar ist, dass London seine Dominanz als europäisches Finanzzentrum nicht mit einem großen Knall verlieren wird. Was sich über viele Jahrzehnte entwickelt hat, verschwindet nicht über Nacht. Klar ist aber auch, dass die Dominanz der City nicht mehr selbstverständlich ist, und einiges spricht dafür, dass Londons Marktmacht nach und nach erodieren wird.
Einige Folgen des Brexits waren sehr schnell zu spüren: Das Geschäft mit kontinentaleuropäischen Aktien wanderte aus London ab, und der Marktanteil am Handel mit Euro-Derivaten schrumpfte empfindlich.
Wichtiger ist aber, dass bei neu entstehenden Geschäftsfeldern London nicht mehr automatisch als Nummer eins gesetzt ist. Das zeigt das Beispiel der sogenannten Spacs. Hinter dieser Abkürzung verbergen sich leere Börsenmäntel, die jungen Technologiefirmen einen schnelleren und unkomplizierteren Weg an die Börse ermöglichen. Als das Geschäft mit den Spacs aus den USA nach Europa schwappte, sicherte sich Amsterdam den größten Marktanteil, nicht London.
Die Stimmung zwischen London und Brüssel wird giftiger
Bislang spart das Freihandelsabkommen zwischen den Briten und der EU den Finanzsektor komplett aus. Die Londoner City hofft nun darauf, dass die EU-Kommission den Finanzplatz London als gleichwertig anerkennt. Aber das ist alles andere als selbstverständlich.






In den vergangenen Monaten ist die Stimmung zwischen London und Brüssel deutlich giftiger geworden. Völlig unabhängig davon muss die EU endlich die Entwicklung eines eigenen effizienten Kapitalmarkts vorantreiben, um im globalen Standortwettbewerb gegen die USA und Asien bestehen zu können.
Insgesamt sind das keine guten Nachrichten für Premier Boris Johnson, seinen Finanzminister Sunak und die Londoner Banker-Gemeinde.





