Kommentar – Der Chefökonom Die Integration der Beamten in die Rentenversicherung wäre zu teuer

Die Integration von Beamten wäre kein sinnvoller Beitrag zur Sanierung der umlagefinanzierten Rentenversicherung.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist mit über 40 Millionen aktiven, also zumeist beitragszahlenden Versicherten und 19 Millionen Leistungsempfängern das bei weitem wichtigste Alterssicherungssystem in Deutschland. Ungeachtet aller Kritik hat sich dieses umlagefinanzierte System in den vergangenen nahezu 65 Jahren bewährt.
Der bald einsetzende Alterungsschub der Gesellschaft jedoch wird zu einer massiven Belastungsprobe werden, denn ein sinkendes Erwerbspersonenpotenzial muss eine kräftig steigende Anzahl von Rentnern finanzieren.
Wie immer, wenn sich Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung abzeichnen, wird die Forderung laut, die zumeist besser verdienenden und im Alter privilegiert abgesicherten Beamten in dieses System einzubeziehen. Und in der Tat ist schwer einzusehen, dass zum Beispiel manche Lehrer an einer Schule verbeamtet und andere angestellt sind.
So ist es nicht verwunderlich, dass auch Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) in einem sonst seltenen Schulterschluss mit der Partei „Die Linke“ jüngst in einem Interview forderte: „Generell finde ich es richtig, darüber nachzudenken, im Laufe der Zeit alle in einer Erwerbstätigenversicherung zu vereinen.“ Es gehe darum, „dass wir langfristig ein System schaffen, das für alle gerecht ist“.
Leider äußerte Heil sich nicht dazu, wie die oft verdrängten und unterschätzten Probleme, die mit einer solchen Ausweitung des Versichertenkreises verbunden sind, gelöst werden könnten.
Unterschiedliche Prinzipien der Leistungsfestsetzung
Unstrittig ist, dass die Altersversorgung der Beamten generöser ist als die von gesetzlich Versicherten. Grund sind die unterschiedlichen Prinzipien der Leistungsfestsetzung. Die Leistungen der Rentenversicherung bestimmen sich nach dem Äquivalenzprinzip, also im Wesentlichen nach der Höhe der während der gesamten Versicherungszeit gezahlten Beiträge.
Damit soll sichergestellt werden, dass die Versicherten im Alter innerhalb der Pyramide der Rentenempfänger die gleiche relative Position einnehmen, die sie während des gesamten beitragspflichtigen Erwerbslebens in der Pyramide der Beschäftigten hatten. Anders als vielfach geglaubt, hat daher das letzte Einkommen vor dem Eintritt in den Ruhestand kaum Einfluss auf die Rentenhöhe.
Im Gegensatz dazu basiert die Beamtenversorgung auf dem Alimentationsprinzip. Nach diesem in Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verankerten Prinzip erhalten Beamte im Ruhestand eine an der letzten Verwendung orientierte „amtsangemessene Versorgung“. Diesem lebenslangen Versorgungsanspruch stehen lebenslange Treuepflicht und Streikverbot gegenüber.
Derzeit beträgt die maximale Pension nach 40 Dienstjahren 71,75 Prozent der während der letzten zwei Jahre vor der Pensionierung durchgängig bezogenen Dienstbezüge. Daher kann es vorkommen, dass die Pension doppelt so hoch ist wie die gesetzliche Rente – selbst wenn beide Personen eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben.
Bei diesem Vergleich wird jedoch übersehen, dass in den Pensionen – ähnlich wie in den Renten aus der knappschaftlichen Rentenversicherung – die Komponente einer betrieblichen Altersversorgung enthalten ist. Aus diesem Grund erhalten auch alle beim Staat beschäftigten Arbeiter und Angestellten eine Zusatzversorgung.
Wer die Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung überführen will, muss hohe rechtliche Hürden überwinden, da die bisherigen Ansprüche von Beamten durch das Grundgesetz geschützt sind. Realpolitisch wäre wohl nur eine Besetzung frei werdender Beamtenstellen mit Angestellten möglich.
Derzeit sind 4,97 Millionen Frauen und Männer im öffentlichen Dienst beschäftigt, 1,72 Millionen als Beamte. Davon wiederum sorgen 341.400 als Polizeibeamte für die innere Sicherheit, 172.100 als Soldaten für die äußere Sicherheit und 184.000 als Richter und Staatsanwälte für die Rechtspflege.
Vieles spricht dafür, diese hoheitlichen Aufgaben weiterhin durch Beamte erfüllen zu lassen. Somit könnten langfristig rund eine Million Beamte durch Angestellte ersetzt werden.
Verfehlt sind allerdings die damit verbundenen Hoffnungen, der Staat könne so Steuergelder sparen oder den demografisch bedingten Druck auf die gesetzliche Rentenversicherung mindern.
Für die öffentlichen Arbeitgeber würden nämlich bei der Wiederbesetzung frei werdender Beamtenstellen durch Angestellte die Personalkosten zunächst steigen. Denn es müssten nunmehr die Arbeitgeberanteile zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie die Beiträge zur Zusatzversorgung der öffentlich Bediensteten finanziert werden.
Entfallen würden im Gegenzug die Beihilfeleistungen der Dienstherren im Krankheitsfall und die künftigen Pensionen. Diese Einsparungen fallen jedoch zum größten Teil erst im fortgeschrittenen Alter an.
Fakt ist daher: Solange ein Beamter im aktiven Dienst ist, ist er für seine Dienstherren durchweg kostengünstiger als ein Angestellter. Für eine längere Übergangszeit fielen deshalb für die öffentlichen Arbeitgeber Mehrausgaben an.
Ob langfristig der gesamte Personalaufwand des Staates geringer würde, hinge davon ab, ob sich die neuen Angestellten dauerhaft mit geringeren Alterssicherungsleistungen als die Beamten zufriedengeben würden. Dies ist möglich, aber vor dem Hintergrund eines knapper werdenden Arbeitsangebots keineswegs sicher.
Die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung würden in dem Maße steigen, wie frei werdende Beamtenstellen sukzessive mit Angestellten besetzt werden. Die maximale Entlastung wäre erreicht, wenn nach etwa 40 Jahren alle nicht-hoheitlichen Aufgaben im öffentlichen Dienst von Angestellten erbracht werden, aber noch kaum Renten für diese Versicherten gezahlt werden müssen.
Der sich heute abzeichnende Beitragsanstieg würde in der Tat gebremst, während die Rentenanpassungen für die bisherigen Mitglieder entsprechend höher ausfielen.
Beamte werden älter als die Durchschnittsbevölkerung
Die Probleme kämen deutlich später – wären aber umso größer. Wenn die aus den neuen Ansprüchen resultierenden Renten gezahlt werden, würde der Beitragspfad sprunghaft ansteigen und über der Entwicklung ohne Einbeziehung der ehemaligen Beamten liegen.
Der Grund: Die Lebenserwartung der Beamten ist im Schnitt gut zwei Jahre höher als die der Gesamtbevölkerung. Der wichtigste Grund dafür ist ein höheres Bildungs- und Qualifikationsniveau dieser neuen Mitglieder, was durchweg mit einem stärkeren Gesundheitsbewusstsein einhergeht.
Mit Einbeziehung dieser Personengruppe würde die gesetzliche Rentenversicherung versicherungsmathematisch „schlechte Risiken“ aufnehmen. Die damit verbundenen Kosten müsste sie aus dem Beitragsaufkommen finanzieren, an dem die öffentlichen Arbeitgeber nur zu einem kleinen Teil beteiligt sind.

Prof. Bert Rürup ist Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und Chefökonom des Handelsblatts. Er war viele Jahre Mitglied und Vorsitzender des Sachverständigenrats sowie Berater mehrerer Bundesregierungen und ausländischer Regierungen. Mehr zu seiner Arbeit und seinem Team unter research.handelsblatt.com.
Mit der geforderten Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung würde mithin Zeit gekauft. Der Preis wären mittelfristig höhere Personalausgaben der öffentlichen Arbeitgeber, langfristig ein im Vergleich zum Status quo höherer Rentenbeitrag sowie noch höhere Steuerzuschüsse.
Das in der Bevölkerungsalterung angelegte Problem der umlagefinanzierten Rentenversicherung würde durch solch eine Ausweitung des Versichertenkreises langfristig also eher vergrößert.
Der Preis für mehr Gleichheit wäre eine Umverteilung zulasten der Mitglieder des derzeitigen Versichertenkollektivs. Aus diesem Grund haben sich die Gewerkschaften lange Zeit mit der Forderung nach einer solchen Ausweitung des Versichertenkreises zurückgehalten.
Da Hubertus Heil ein ausgewiesener Sozialexperte ist, kennt er natürlich dieses Problem. Insofern sollte man seine Worte vorrangig als Wahlkampfrhetorik verstehen. Ein fundierter Beitrag, die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine solidere Basis zu stellen, ist dieser Vorschlag jedenfalls nicht.
Mehr: Traumjob Beamter – Warum immer mehr Leistungsträger beim Staat arbeiten wollen
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Rürup scheint doch mehr Versichrungsvertreter zu sein als ein Politikberater. Nur so kann ich mir seine Argumente erklären.
@ H. Rürup,
da Sie selbst davon BETROFFEN sein würden, sollten Sie sich solcher sinnbefreienden Kommentare enthalten.
Zitat:
Den Bock zum Gärtner machen!
Sehr geehrter Herr Rürup,
Ich muss dem Unverständnis von Frau Backes zustimmen: Sie hinterlassen auch bei mir das gleiche Unverständnis. Durch Abschaffung des Rentenprivilegs von Beamten sinkt der Gesamtaufwand im Rentensystem. Sie errechnen aber höhere Gesamtkosten. Wie passt das zusammen? Wenn ein Teil Ihrer Leser das gleiche Verständnisproblem hat, spricht das nicht unbedingt für die Klarheit Ihrer Argumente. Mein Vorschlag: Sie beheben das ‚Mißverständnis‘ durch einen kurzen, verständlichen Kommentar auf dieser Plattform.
Mit freundlichen Grüßen, Frank-Dieter Kopinke.
Herr Rürup,
ihre Analyse lässt mich fassungslos zurück. Sie erläutern völlig treffend, dass Beamtenpensionen in der Höhe aufgrund unterschiedlicher Berechnungsverfahren erheblich von Durchschnittsrenten abweichen. Pensionen sind teurer als Renten.
Dennoch folgern Sie am Ende, dass das "Problem der umlagefinanzierten Rentenversicherung würde durch solch eine Ausweitung des Versichertenkreises langfristig also eher vergrößert" würde.
Richtig ist, dass man sich über die Quellen der Rentenzahlungen unterhalten muss, vor allem innerhalb eines Umstellungszeitraumes. Viel wichtiger aber: Durch die Umstellung würde unzweifelhaft der "Gesamtaufwand" sinken. Es würde für uns als Gemeinschaft günstiger werden, da beim Wechsel der Beamten ins Rentensystem die Altersbezüge sinken würden. Auerßdem würde es mehr Gerechtigkeit und Transparenz bringen, nicht nur während der Rentenphase sondern auch innerhalb der Erwerbstätigkeit, weil Bruttolöhne vergleichnarer würden.
Haben Sie diese Art grob irreführender Analyse im Wahlkampf wirklich nötig?