Kommentar: Der Impfgipfel lässt nicht hoffen, sondern verzweifeln

Der Impfgipfel hat keine richtige Perspektive geben können.
Ein Jahr nach Beginn der Pandemie haben Bund und Länder endlich nicht mehr über den Lockdown, sondern über die Zeit danach verhandelt. Das Ergebnis aber könnte enttäuschender nicht sein. Es gibt keine Beschlüsse, stattdessen nur Botschaften.
„Es war ein Gipfel der Hoffnung“, sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Das klingt schön, es ist aber zu wenig für alle, die einen konkreten Fahrplan zurück zur Normalität erwartet haben.
Erst Ende Mai soll über Ausnahmen für Geimpfte und Genesene von den Corona-Maßnahmen entschieden werden. Es ist ein kompliziertes Thema, ohne Frage. Grundrechte dürfen nicht länger eingeschränkt werden als nötig – und mit der vollständigen Impfung entfällt der medizinische Grund. Andererseits: Warum sollten jene ausgeschlossen werden, die sich unfreiwillig nicht impfen lassen können, weil es nicht genug Impfstoff gibt?
Schon jetzt aber hätten Bund und Länder zumindest einen Plan präsentieren können, welche Ausnahmen konkret gelten sollen – etwa dann, wenn alle Bürger ein Impfangebot erhalten haben. Das wäre eine echte Perspektive gewesen für die gebeutelte Bevölkerung, die nun mehr als ein halbes Jahr im Lockdown verharrt.
Aber auch bei anderen wichtigen Punkten strapazieren Bund und Länder die Geduld. Der digitale Impfpass kommt erst im Juni, dann erst dürfen auch die Betriebsärzte mitimpfen, auch dann erst soll die Impfreihenfolge fallen.
Empörte Reaktionen
Dabei warnen Hausärzte schon seit Wochen, dass bei ihnen wegen der Priorisierung wertvoller Impfstoff liegen bleibt und sogar weggeworfen wird. Aber diesen Hausärzten hatte der Gipfel nichts zu bieten, genauso wie den vielen Wirtschaftsverbänden, die sich mehr Tempo beim Impfen wünschten und einen konkreten Öffnungsplan. Völlig verständlich sind ihre empörten Reaktionen auf das Gipfelergebnis, das diesen Namen nicht verdient hat.



Hätte es diesen Gipfel nicht gegeben, es hätte am Status quo nichts verändert. Es braucht auch keinen Gipfel der Hoffnung – denn Hoffnung ist das, was den meisten Menschen in dieser Pandemie ohnehin seit einem Jahr übriggeblieben ist. All jenen etwa, die vor dem Ruin stehen, die gesundheitlich gelitten haben, die auf einen Impfstoff warten – sie brauchen keine hoffnungsvollen Botschaften, sondern spürbare Beschlüsse.
Die wahre Botschaft dieses Treffens ist deswegen Resignation. Wer von Bund und Ländern jemals noch mal konkrete Entscheidungen erwartet, ist selbst schuld. Es bleibt die dunkle Ahnung, dass der Weg zurück zur Normalität ähnlich zäh und planlos verlaufen wird wie der Weg in den Lockdown.
Mehr: Lesen Sie hier, welche Kritik zum Phrasengipfel geäußert wird.





