Kommentar Der Investitionsstau ist ein Offenbarungseid für Olaf Scholz

Der Bundesfinanzminister kalkuliert bereits ein, dass nicht alle Investitionsmittel abfließen werden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat die Haushaltswoche mit einem großen Selbstlob eröffnet. Der Etat für das kommende Jahr sehe eine „substanzielle Steigerung der Investitionen“ vor, sagte der Minister. „Ich finde, das ist eine gute Leistung.“
Tatsächlich ist die Frage, ob der Bund ausreichend investiert, der große Streitpunkt in der Bundestagsdebatte. Die Opposition wirft Scholz vor, dass er an der Zukunft des Landes spare. Die Regierungsfraktionen verweisen hingegen auf die Rekordinvestitionen in Höhe von 42,9 Milliarden Euro.
Doch diese Summe klingt besser, als sie in Wahrheit ist. Das machen schon die Relationen deutlich. Eine Steigerung auf 43 Milliarden Euro ist gut – aber verglichen mit Gesamtausgaben von 360 Milliarden Euro bleiben die Investitionen noch immer bescheiden.
Das eigentliche Problem ist ein anderes: Die 43 Milliarden sind zwar eingeplant, aber ob sie 2020 wirklich investiert werden, ist eine ganz andere Frage. In den vergangenen Jahren sind die Mittel häufig nicht abgeflossen. So hat der Verkehrsminister das Geld, das ihm zur Verfügung stand, häufig nicht verbaut bekommen. Und auch die Investitionsmittel für die Kommunen wurden nie komplett verbraucht. Am Ende blieb Geld liegen. Die Gründe sind häufig fehlende Planungskapazitäten in den Ämtern oder das Problem, ein Bauunternehmen zu finden.
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Mittlerweile hat man sich in der Bundesregierung derart an diesen Engpass gewöhnt, dass man ihn direkt in den Etat mit einkalkuliert. So enthält der Haushalt 2020 immer noch globale Minderausgaben von knapp fünf Milliarden Euro. Das ist ein Betrag, der noch einzusparen ist, wo genau, wird aber offengelassen.
Keine Ausrede, sondern ein Offenbarungseid
Der Grund: Im Bundesfinanzministerium geht man davon aus, dass ohnehin nicht alles Geld wie geplant abfließen wird. Mit anderen Worten: Man kalkuliert bereits ein, dass die Investitionen einige Milliarden geringer ausfallen werden, als man es heute großspurig verkündet.
Schon der Scholz-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) verwies gerne auf die Mittel, die nicht abfließen würden, um damit Forderungen nach Schulden für zusätzliche Investitionen abzuwehren. Motto: Investitionen scheitern nicht am Geldmangel, wir bekommen jetzt schon nicht alles verbaut. So argumentieren Scholz und die Große Koalition bis heute.
Doch es wäre an der Bundesregierung, für Abhilfe zu sorgen, Planungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen – kurz: die Kapazitäten hochzufahren. Wenn der Staat zu den aktuellen Konditionen nicht ausreichend Ingenieure findet, muss er sie halt verbessern. Nach all den Jahren sind mangelnde Planungskapazitäten keine gute Ausrede mehr für die Investitionsmisere, sondern eher ein Offenbarungseid.
Mehr: Die blockierte Republik: Woran öffentliche Projekte in Deutschland scheitern.
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