Kommentar: Der Krieg kann nur in einem Desaster enden


In drastischen Worten hat der israelische Ministerpräsident den Krieg gegen den Iran begründet. Es gehe um nichts Geringeres, als einen „nuklearen Holocaust“ zu verhindern, sagte Benjamin Netanjahu.
Die gleichen Worte hat er schon vor Jahren benutzt, um die eigene Anhängerschaft für Wahlen zu mobilisieren. Doch diesmal sprach er vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Israel habe handeln müssen, weil der Iran schon in wenigen Monaten oder in einem Jahr in den Besitz von Nuklearwaffen kommen könne.
Der Iran beteuert seit Jahren, sein Atomprogramm diene rein zivilen Zwecken. Gründe, das zu bezweifeln, gibt es mehr als genug. Teheran hat sein Programm massiv ausgebaut – übrigens erst nach der einseitigen Aufkündigung des Atomdeals von 2015 durch Donald Trump in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident.
Der Iran besitzt inzwischen genügend Spaltmaterial für zehn Nuklearsprengköpfe. Mit Trumps Rückkehr an den Verhandlungstisch schien eine Verhandlungslösung jedoch möglich. Dass das Regime nun in die Knie geht, wie Trump es sich vorstellt, ist unwahrscheinlich.
Netanjahu hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er eine militärische Lösung bevorzugt. Jetzt hat Israel den Erzfeind „präventiv“ angegriffen, wie es die Armee nennt. Die Luftangriffe richteten sich auch gegen die drei Nuklearanlagen Natans, Isfahan und Fordow.
Nuklearanlagen dürften niemals angegriffen werden, sagte Rafael Grossi, Generaldirektor der Atomenergieagentur (IAEA). Sein Vorgänger Mohammed el-Baradei fand noch deutlichere Worte: „Gezielte Schläge gegen Nuklearanlagen“ seien gemäß den Genfer Konventionen verboten, erklärte er.
Bisher ist nach iranischen Angaben und auch laut IAEA keine erhöhte nukleare Strahlung messbar. Das könnte sich jedoch ändern. Sollte Israel – womöglich mit amerikanischer Unterstützung – die teilweise tief unter der Erde vergrabenen Anlagen zerstören, wäre ein Desaster unvermeidlich.
An der Entschlossenheit des Irans sollte niemand zweifeln
Auch geopolitisch hätte es weitreichende Folgen. Der Iran dürfte sich kaum dem Druck beugen, auf sein Atomprogramm zu verzichten. Und er hat genügend gut ausgebildete Wissenschaftler, um es erneut aufzubauen. Anstatt abzunehmen, würde das Streben nach einer Atomwaffe zunehmen. Der ohnehin instabile Nahe Osten würde noch instabiler.



Der Iran könnte sogar seine Drohung wahr machen und aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen. Auch wenn es womöglich Jahre dauert, bis der Iran sein Atomprogramm wieder auf den heutigen Stand bringt – an der Entschlossenheit sollte niemand zweifeln. Israel hätte zwar Zeit gewonnen, mehr aber nicht.
Statt mehr Sicherheit bekäme Israel das, was Netanjahu verhindern will: eine größere Bedrohung.






