Kommentar Der Mindestlohn ist ein Korrektiv mit Lücken

Die Aufzeichnungspflicht entfällt bislang nicht auf Niedriglohnbranchen wie das Gastgewerbe.
Der Mindestlohn ist ein Korrektiv des Gesetzgebers, um in Zeiten sinkender Tarifbindung die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt zu schützen. Das funktioniert aber nur, wenn er auch tatsächlich überall ankommt. Daran gibt es allerdings nicht erst seit der jüngsten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wonach bis zu 3,8 Millionen Beschäftigten der Mindestlohn vorenthalten wird, berechtigte Zweifel.
Offensichtlich ist es keine Seltenheit, dass Arbeitnehmer deutlich mehr arbeiten als vertraglich vereinbart und der Stundenlohn so unter die gesetzliche Lohnuntergrenze sinkt. Nur mit einer lückenlosen Erfassung und Dokumentation der Arbeitszeit lässt sich dieser Missstand beheben. Diese Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn sind keine überflüssige Bürokratie, sondern sie sind der Hebel für die Beschäftigten, staatliche Schutzrechte im Zweifel auch einklagen zu können.
Gerade wer nur wenig verdient und auf jeden Euro angewiesen ist, überlegt sich zweimal, ob er im Zweifel seinen Chef anschwärzt, wenn der geleistete Arbeitsstunden nicht aufschreibt.
Das soll kein Plädoyer für eine flächendeckende und umfassende Rückkehr zur Stechuhr sein. Vertrauensarbeitszeit dient oft den Bedürfnissen von Arbeitnehmern wie Arbeitgebern und muss weiter möglich sein. Aber die Beschäftigten im Niedriglohnbereich haben besonderen Schutz verdient, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht weiter leiden soll.
Die Aufzeichnungspflicht sollte deshalb über die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Branchen wie das Gastgewerbe oder die Logistik hinaus auf alle Niedriglohnbranchen bis zu einer bestimmten Verdienstschwelle ausgedehnt werden.
Das ist allerdings nur Erfolg versprechend, wenn dann vom Zoll auch häufiger und effektiver als heute die Einhaltung kontrolliert wird und Verstöße konsequenter geahndet werden. Auch, damit die ehrlichen Arbeitgeber, die sich an den Mindestlohn halten, am Ende nicht die Dummen sind.
Mehr: Die Mindestlohnkommission will aus den Fehlprognosen der Vergangenheit lernen.
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