Kommentar Der nächtliche Hausarrest ist ein Schritt zurück in den Obrigkeitsstaat

Bevor dem Bürger diese Beweislast auferlegt wird, sollte zunächst einmal der Staat nachweisen, warum eine Ausgangssperre notwendig ist.
Einer meiner Freunde aus Schulzeiten leidet seit Jahren an einer genetisch bedingten Krankheit. Die Symptome: schwere Sprach- und Gleichgewichtsstörungen. In seinem Heimatort gilt schon länger eine nächtliche Ausgangssperre.
Selbst wenn dieser Schulfreund einen triftigen Grund hat, geht er nach Beginn der Sperre nicht mehr vor die Tür – denn wie sollte er mit seiner Behinderung leisten, was die Corona-Verordnung seines Landkreises von ihm verlangt: „Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe glaubhaft zu machen.“ Die Ordnungshüter würden im Zweifel schlicht glauben, einen Betrunkenen vor sich zu haben.
Man muss nicht selbst derart körperlich eingeschränkt sein, um zu erkennen: Wo die Freizügigkeit der Bürger davon abhängt, ob sie im Ernstfall einen Polizisten überzeugen können, dass sie sich zu Recht auf der Straße aufhalten, läuft etwas gründlich schief. Bevor dem Bürger diese Beweislast auferlegt wird, sollte zunächst einmal der Staat nachweisen, warum eine Ausgangssperre notwendig ist.
Diese Beweisführung misslingt bereits in den derzeit gültigen regionalen Ausgangsbeschränkungen. Nun will die Bundesregierung sogar zentral für das ganze Land festlegen, dass die Bürger ab einer Corona-Inzidenz von 100 abends nicht mehr vor die Tür dürfen. Bis zu 80 Millionen Bürger werden unter Hausarrest gestellt, warum? Nicht wegen der Infektionsgefahr im Freien, die schätzen Virologen als sehr gering ein – und wenn überhaupt liegt sie abends und nachts niedriger als tagsüber, weil es auf Gehwegen und in Parks weniger voll ist.
Die wahre Begründung steht zum Beispiel in der Corona-Verordnung des besagten Landkreises: „Die angeordnete Ausgangssperre soll private Treffen und Kontakte einschränken.“ Wer seinen Besuch in einem anderen Haushalt vor 21 Uhr beenden muss, um rechtzeitig nach Hause zu kommen, trifft sich vielleicht gar nicht erst. Es handelt sich also um eine Art Proxy-Verbot: Untersagt wird nicht das gefährliche Verhalten, sondern ein anderes, für sich genommen völlig harmloses, das angeblich mit dem gefährlichen korreliert.
Um solch einen Eingriff zu rechtfertigen, müsste die Korrelation zwischen den beiden Verhaltensweisen schon besonders eng sein. Doch allen mir bekannten Studien zufolge hatten die Ausgangssperren in anderen Staaten allenfalls einen schwachen Einfluss auf die Infektionszahlen. Zu schwach jedenfalls, um Millionen von Bürgern zu nächtlichen Gefangenen zu machen – und die Gewährung von Freigang im Zweifel vom Wohlwollen einer Polizeistreife abhängen zu lassen.
Die bundesweite Ausgangssperre bedeutet einen Schritt zurück in den Obrigkeitsstaat. Kein rechtsstaatlich gesinnter Abgeordneter sollte ihr zustimmen.
Mehr: Beim Infektionsschutzgesetz sind weitere Klagen programmiert.
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Meine volle Zustimmung zu jedem einzelnen Satz dieses Kommentars. Die Beweislast, ob die Einschränkung elementarer Bürgerrechte in einer außerordentlichen Notsituation temporär gerechtfertigt ist, liegt beim Staat. Ein oberflächlicher Hinweis, dass es irgendwo auf der Welt einen groben zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einführung dieser Maßnahme und einem Rückgang von Inzidenzzahlen gegeben haben mag, reicht da bei weitem nicht aus. Dem gegenüber stehen eine Vielzahl anderer Beispiele von Regionen, die das Problem ohne solche Maßnahmen und mit Gelassenheit im Griff behalten (u.a. Schweiz, Schweden), ebenso wie eine Vielzahl wissenschaftlicher Analysen, die beim Versuch der Zuordnung von Maßnahmen und Wirkungen keinen relevanten Effekt von Ausgangssperren festgestellt haben. Wer sich mit solch offensichtlich unvernünftigen Begründungen staatlicher Interventionen zufriedengibt, sollte sich nicht anmaßen, Menschen, die eigenverantwortlich für sich eine Risikoabwägung vornehmen, pauschal Unvernunft zu unterstellen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann diesen: dass Hunderttausende von Bürgern - gerne unter Einhaltung von Abstandsregeln - nach 21 Uhr auf die Straße gehen und diesen Obrigkeits- und Nannystaat dazu zwingen, sie wegen Inanspruchnahme ihrer Bürgerrechte zu belangen.
Es ist ganz einfach: Würden sich alle Menschen vernünftig verhalten, bräuchten wir keine Ausgangssperren, leider ist dem nicht so. Wie Beispiele in anderen Ländern zeigen, wirken Ausgangssperren tatsächlich dämpfend auf die Ausbreitung des Virus...Deutschland ist hier bislang im Vergleich noch recht moderat vorgegangen. Was man dem Staat wirklich vorwerfen kann, ist das komplette Versagen bei der Impfkampagne.
"Bevor dem Bürger diese Beweislast auferlegt wird, sollte zunächst einmal der Staat nachweisen, warum eine Ausgangssperre notwendig ist."
100 Punkte, Herr Rickens.
Danke für Ihren Kommentar, denn Sie stellen indirekt die Frage nach dem Selbstbild von uns Menschen im Rechtsstaat:
Bin ich ein freier Bürger, der in Eigenverantwortung sein Leben gestaltet?
Oder bin ich ein abhängig geführter Vasall, der in nun absehbar immer engeren Radien nach übergeordneter 'Lust und Laune' geführt werden wird? btw.: Eine Begründung für irgendwas lässt sich ja schnell mal aus der Hüfte zaubern. Denkt man selber, erkennt man, dass eine Inzidenz von 100 dabei jegliche Verhältnismäßigkeit sprengt.
Grundsätzlich aber tangiert es die persönlichen Charaktere von jedem einzelnen Bewohner unseres Landes:
Es gibt Menschen, die begrüßen es, die wollen es, wenn externe Kontrolle sozusagen diesen Part der Eigenverantwortung organisiert. Es ist definitiv einfacher und bequemer, gesagt und organisiert zu bekommen, "was richtig ist", weshalb eine Mehrheit dies wohl auch bis ins uferlose' mittragen wird.
Es gibt aber andere Menschen, die eben sehr wohl ihre freiheitliche Eigenverantwortlichkeit reklamieren und um jeden Preis bewahren wollen. Und für diese Gruppe sind die Maßnahmen ein reiner Vergewaltigungsakt, den sie nicht mittragen können.
Bisher erlaubte unser Rechtsstaat den Konsens, das jeder nach seiner Gesinnung sich verwirklichen konnte.
Und genau diese freiheitliche Grundordnung soll gerade geschreddert werden - weshalb ich Ihnen völlig Recht gebe: KEIN ABGEORDNETER DÜRFTE DIESEM DING in unserem Land ZUSTIMMEN. In Nordkorea schon.
Möge der Staat gerne die bestrafen, die sich nicht an die Corona Auflagen halten und damit andere gefährden oder deren Gesundheit schädigen. Gegen diese muss er dann aber auch mal gezielt und nachhaltig vorgehen. Nicht aber pauschal allen Bürgern ihre Grundrechte, wie z.B. die Freiheit nehmen. Diese Vorgehensweise passt zu Autokratien oder Schurkenstaaten, aber nicht zur freiheitlich, demokratischen Grundordnung unseres Landes. Für unsere Befreiung und damit auch für unser aller Freiheit sind besonders 1945 zehntausend alliierter Soldaten gestorben. Erstaunlich, dass uns selbst unsere eigene Freiheit schon wieder so wenig Wert ist ! Wie schnell die Menschen doch vergessen...
@Herr Yu Zha
Die Unterstellung, Frau Schmitz sei AfD Wählerin /Neonazi/Molotov Cocktail-Werferin ist bodenlos und völlig unzutreffend.
Aus einem ca. 4km entfernten Hotel ist mir bekannt, dass dort ausländische Mitbürger einquartiert sind, die für einen lokalen größeren Mittelständler arbeiten. Dort werden durchaus auch Alkohol trächtige Partys gefeiert - was sollen sie auch sonst tun.
Ich habe sowohl für diese EU Ausländer als auch für die Flüchtlinge Verständnis in ihrer momentanen Situation.
Wenn aber eine Ärztin, die ständig unter Druck steht, sich auch leichter infizieren kann als Mitarbeiter im Homeoffice, sich Luft macht und IHRE EIGENE MEINUNG UND SICHTWEISE äußert, dann DARF SIE NICHT DIFFAMIERT WERDEN!
Mögen Sie Herr Yu Zha Frau Dorothea Schmitz die gelbe Karte zeigen, Ihnen würde ich die rote zeigen und vom Platz stellen.
Übrigens hat mir ein befreundeter Afroamerikaner berichtet, dass man ihn, obwohl er gerne leichte (im USA zugelassene Drogen) konsumiert, schon seit langem nicht mehr von der deutschen Polizei kontrolliert wurde. Die Beobachtung von Frau Schmitz, dass die Polizei weniger kontrolliert, würde ich ähnlich sehen - und nicht nur in no go areas.
Übrigens: Das HB veröffentlicht private Meinungen von Bürgern weitgehend unzensiert, viele Zeitungen wie der Spiegel veröffentlich konträre Meinungen nicht, Spiegel unterschlägt diese Meinungen und verhindert somit einen demokratischen Meinungsaustausch! Persönlich lehne ich die AfD ab, respektiere aber alle Parteien.
Hätte der größte Teil der Bevölkerung gerafft, wie es geht und sich dran gehalten, wäre das Problem Corona längst im Griff. Ein Virus unterwirft sich nunmal nicht demokratischen Prozessen und ist in seinem Verhalten nicht diskutierbar. Entweder Menschen begreifen es, oder nicht. Das ist keine Frage von Meinungsfreihet.
Zitat von Herr Maier:
Und da der Staat sich nicht traut, dem schändlichen Treiben mit drastischen Bußgeldern ein Ende zu bereiten.
Hallo geht es Ihnen gut? Wenn die Verbote schon nicht gegen diejenigen welche gegen Sie verstoßen durchgesetzt werden, wer setzt sie denn dann gegen den Rest der Bevölkerung durch?
Die Ausnahmen von den Verboten (religiöse Gottesdienste, gemeinsames Abendessen im großen Kreis zu Ramadan), Besuch von (auch mehr als 1 Lebensgefährte*) lassen nur einen Schluss zu: Das ist eigentlich auch alles gar nicht so ernst gemeint!
Die Regierung hat längst jedes Mass verloren. Wir leben seit über einem Jahr in einem Obrigkeitsstaat. Übrigens: wer kontrolliert eigentlich das RKI? Wir wissen, daß der Wirecard-Skandal ein Bafin-Skandal war, eine Regierungsbehörde hat schlechte Arbeit geleistet. Das RKI untersteht der Regierung. Nochmal: Wer kontrolliert es, wenn allein von einer von ihr bekanntgegebenen Zahl unsere Freiheit abhängen soll?
Herr Rickens: was fange ich mit einem derartigen Kommentar an?? In meiner Heimatstadt ist aktuell eine Inzidenzzahl von über 320! Klar sollen nächtliche Kontakte eingedämmt werden! Zu der hohen Zahl trage ich und meine Freunde/Bekannten/Verwandten nicht bei! Da finden feucht fröhliche Pinkelpartys, mit 60 Teilnehmern statt, Garagenpartys mit 18 Jugendlichen usw und vieles andere mehr. Hier entstehen die Hotspots, die Krankenhausbetten füllen! Es werden nach wie vor nach Gerichtsentscheidungen "Querdenker" - Demonstrationen und deren Sympathisanten usw. genehmigt, wo Abstand und Maskenpflichten nicht eingehalten werden. Hilfsreich wäre gewesen, wenn Sie Auswege aus dieser Situation aufgezeigt hätten - ich jedenfalls finde die nicht in Ihrem Kommentar.
Welch Pathos! Nächtliche Gefangene, Obrigkeitsstaat etc. Wieso verliert der Kommentator bei einer so banalen Maßnahme jedes Maß? Es geht doch darum, diejenigen, die mit nächtlichen Coronapartys sich und andere gefährden, zu bändigen. Und da der Staat sich nicht traut, dem schändlichen Treiben mit drastischen Bußgeldern ein Ende zu bereiten, muss halt die Ausgangssperre her und durchgesetzt werden.