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Kommentar Der Steuerzahler trägt die Kosten des „Just in time“-Mantras

Deutschlands Autobahnen dienen den Firmen als Lagerstätte. Die Folge sind lange Lkw-Staus, die Milliarden kosten. Die Große Koalition hat verschlafen, die Kosten weiterzureichen.
30.08.2021 - 11:21 Uhr 5 Kommentare
Endlose Lkw-Schlangen verstopfen seit dem Ende des Corona-Lockdowns wieder täglich in Zweierreihen die Hauptverbindungen zwischen Deutschlands Industriezentren. Quelle: dpa
Stau am ersten Ferientag in Bayern Ende Juli

Endlose Lkw-Schlangen verstopfen seit dem Ende des Corona-Lockdowns wieder täglich in Zweierreihen die Hauptverbindungen zwischen Deutschlands Industriezentren.

(Foto: dpa)

Die geniale Idee kam aus Japan, genauer gesagt von Toyota, und zwar mitten in der Ölkrise 1973: keine teuren Lagerstätten, keine Zulieferteile in den Werksregalen, keine überschüssigen Bestellmengen, die später niemand mehr gebrauchen kann. Damit die eilige Fracht direkt ans Produktionsband wandert, hat der Lieferanten-Lkw exakt zum gewünschten Zeitpunkt an der Laderampe anzudocken. Lagerhallen? Bestenfalls noch ein Ort für Galerien oder Diskotheken.

Den weltgrößten Autobauer machte „just in time“ derart erfolgreich, dass der Westen das Konzept mit Freude kopierte. Eisenbahn- und Binnenschiffstransporte wurden abbestellt, weil sie sich für zeitgenaue Lieferungen kaum eignen.

Seither rühmen sich auch deutsche Konzerne, mit welchem Schwung sie ihre Kapitalbindung in den vergangenen Jahren reduzierten. Ein mit viel Geld aufgebautes Warenlager, vermutlich noch finanziert durch eine gierige Bank, bedeutet seither für jeden Finanzchef den sicheren Karriereknick.

Das alles könnte eine wunderbare Erfindung sein, müsste nicht die Allgemeinheit dafür zahlen.

Weil Deutschland seine Firmenläger faktisch auf die Autobahn verlegte, regiert auf bundesdeutschen Fernstraßen nun der Stillstand. Endlose Lkw-Schlangen verstopfen seit dem Ende des Corona-Lockdowns wieder täglich in Zweierreihen die Hauptverbindungen zwischen Deutschlands Industriezentren.

Enormer Schaden für die Umwelt

Gerechnet in verlorener Arbeitszeit verursachen die Staus nach Einschätzung von Wissenschaftlern jährlich mindestens 60 bis 100 Milliarden Euro Zusatzkosten. Der wirkliche Schaden ist noch viel höher. Die jährlich fast 3,8 Milliarden Tonnen an Lkw-Gütern haben das deutsche Autobahn- und Brückennetz derart ruiniert, dass endlose Baustellen zu Umwegen zwingen, deren Zusatzverkehr die Schäden noch vergrößert.

Die Autobahnparkplätze, in Wahrheit längst ein öffentlich finanzierter Ersatz für die eingesparten Lagerhallen, quellen über, der ungeheure Schadstoffausstoß schädigt die Umwelt. Doch die Firmeneinnahmen aus dem Gütertransport wandern nach Osteuropa, von wo aus Billiganbieter den deutschen Brummifahrern per Dumping das Geschäft verhageln.

Damit hat die Große Koalition nicht nur bei der Verkehrswende versagt, indem sie zuließ, dass der Lkw-Anteil am Transportaufkommen auf einen Rekordwert von über 85 Prozent kletterte. Sie hat es auch verschlafen, durch eine höhere Maut, wirksame Anti-Dumping-Regeln oder eine angemessene Schadstoffabgabe für einen fairen Kostenausgleich zu sorgen.

Mehr: Teurer, später, knapper: Warum die Mangelwirtschaft nicht mehr verschwinden wird

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5 Kommentare zu "Kommentar: Der Steuerzahler trägt die Kosten des „Just in time“-Mantras"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Das Beispiel Osteuropa taugt nur bedingt. Die Lkw kommen nicht halbleer hier an. Es wird auch nicht mehr transportiert, weil es Just in Time gibt. Ein Automobilwerk bekommt genauso viel Material, wie es braucht. Die enge Taktung führt lediglich dazu, dass Bestände knapp gehalten werden. Als verkappte Lagerfläche ist ein Lkw i.d.R. teurer als ein "echtes" Lager. Mehr Transport entsteht im Nahbereich, wo 6x am Tag ein 12 Tonner vom werksnahen Zulieferer anliefert statt 2x ein 40 Tonner. Das äußert sich aber nicht auf Autobahnraststätten. Ein Problem ist aber, dass viele Komponenten von weit her kommen heute und nicht mehr produktionsnah hergestellt werden. Da entsteht Verkehrswachstum. Und natürlich im heutigen "ich muss alles im Internet bestellen und morgen das Paket bekommen"-Wahn. Der Anspruch des Bestellers im Online-Handel führt zu enormen Zuwächsen beim Stückgut - eine Folge unsinniger Leistungsversprechen der Händler und Erwartungshaltung beim Verbraucher. Da wird die Bahn in den kommenden X Jahren nicht gegen anstinken, egal was die Politik versucht. Die Betrachtung im Kommentar ist insofern reichlich undifferenziert.

  • Der Slogan „Verlagerung des Lagers auf die Straße“ klingt natürlich toll. Logisch, das darf nicht sein.
    Aber stimmt das auch?
    Der Hersteller von z.B. Kfz-Lenkungen muss diese an den Ort des Kfz-Herstellers bringen, also von A nach B. Ob A nun ein Lager aufbaut und auf Abruf nach B liefert oder punktgenau von A nach B direkt ans dortige Band, das ist der Straße egal. Dasselbe gilt im umgekehrten Falle, dass A auf ein Lager des B liefert. Geliefert werden muss immer.
    Man könnte vermuten,, dass wegen just in time vermehrt kleinere LKW-Einheiten fahren und weniger 40-Tonner, dass also durch die kleineren Einheiten mehr Platz auf der Straße beansprucht wird. Das aber ist reine Theorie. Was fährt denn auf den Autobahnen? Das Foto zum Artikel zeigt es ja.
    Den Kritikern des just in time – und das wird in dem Artikel auch angesprochen – ist zuzugeben, dass der Transport per Bahn oder Binnenschiff mit just in time kaum möglich ist, man (A und B) also auf die Straße ausweicht, um so die Lagerhaltung bei B zu minimieren. Zugegeben.
    (Lassen wir mal beiseite, dass B gut beraten ist, ein (kleines) Pufferlager zu unterhalten, was ja auch geschieht.)
    Der wirkliche Engpass liegt an der Schiene bzw. bei den nicht vorhandenen Schienen. Die Güterverkehrsschiene ist hoffnungslos überlastet. „Güter auf die Schiene!“, aber da ist ja gar keine Schiene.
    Und dann wird den Unternehmen, die einen Gleisanschluss haben, dieser auch noch von der Bahn gekündigt mit dem Argument, dass der Unterhalt für die Weichen zu viel kostet, der Einzelwagen-Verkehr gleichermaßen.
    Ja, alles schwierig, aber das Gejammere über just in time nervt.

  • Lagerhaltung erfolgte früher bei den Firmen und an deren Standorten/Niederlassungen, Herr Berchtold. Ich kann mich gut an schier endlos lang scheinende Güterzüge erinnern, und an die Zeiten, wo auf Autobahnen noch "freie Fahrt" herrschte.

  • Die GRKOs haben ALLES verpennt.
    Die meisten Wähler rennen diesen Parteien hinter her.

  • Man müsste die Waren auch zur Lagerstätte transportieren.

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