Kommentar: Der Streit um Palantir zeigt, was falsch läuft in Deutschland


Erinnern wir uns: Vor zehn Jahren ereigneten sich einige Terroranschläge in Europa und Deutschland. Damals kamen Innenminister Thomas de Maizière und seine Kollegen aus den Bundesländern zusammen, um die Saarbrücker Agenda im November 2016 zu beschließen. Man wolle eine „gemeinsame, moderne, einheitliche Informationsarchitektur“ schaffen, damit die Polizei in dieser „digital vernetzten Welt“ mithalten kann.
Jetzt könnte man sagen: Wieso erst 2016? In dem Jahr wurde das Internet bereits ein Vierteljahrhundert alt, Google war längst mehr als 500 Milliarden Dollar an der Börse wert, und Datenbanken, ja, die waren schon ein halbes Jahrhundert da.
Eine völlig deplatzierte Kritik. Denn die Agenda war in Wirklichkeit höchst ehrgeizig. Mit „Polizei 2020“ wollte man innerhalb von vier Jahren für alle Sicherheitsbehörden eine IT-Plattform einführen, um den Datenaustausch zu ermöglichen und endlich nicht mehr in Aktenordnern, Excel-Tabellen oder diverser Verwaltungssoftware nach Gewaltverbrechern und Kinderschändern fahnden zu müssen.
Eine Namensänderung – mehr nicht
Bis heute ist das nicht geschehen. Die einen wehren sich gegen den US-Anbieter Palantir aus Gründen, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Die anderen setzen sich vehement für Palantir ein und ignorieren Konkurrenzangebote.
In Deutschland wütet ein Glaubenskrieg um Palantir. NRW, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg auf der einen und die restlichen Bundesländer auf der anderen Seite und der Bund orientierungslos in der Mitte. Experten reiben sich die Augen – schließlich geht es nur um eine Datenbank-Analysesoftware, wie sie Unternehmen seit Jahrzehnten selbstverständlich nutzen.




Aber die Uhren ticken anders in der öffentlichen Hand. Aus Polizei 2020 wurde P20. Natürlich optimiert man immer noch „polizeiliche Systeme und Prozesse“. Jetzt bezieht sich P20 aber nicht mehr auf eine Jahreszahl, sondern auf die 20 Polizeistellen in Deutschland (16 Bundesländer plus Bundespolizei, BKA, Zollkriminalamt und natürlich die Polizei beim Deutschen Bundestag).
Es ist ein Lehrstück dafür, was falsch läuft in Deutschland. Föderalismus ist wichtig, aber eine liberale und demokratische Gesellschaftsordnung muss sich gegen Terror und Kriminalität verteidigen können. Sie sind die Gefahr für unser Leben und unsere Freiheit, nicht die Softwareanbieter. Die Leidtragenden der Untätigkeit sind wir alle – und insbesondere die Opfer von Verbrechen, die nicht verfolgt und aufgeklärt wurden.
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