Kommentar: Der Westen setzt bei Konflikten auf Biden – doch seine Regierung stößt bereits an Grenzen

Seinen Ansprüchen als Multilateralist kann der neue US-Präsident nur teilweise gerecht werden.
US-Außenminister Antony Blinken sprach zum Auftakt des Nato-Gipfels von Engagement, Stabilität und Allianzen. Dieses Bekenntnis zur Zusammenarbeit ist wohltuend, denn es stillt die Sehnsucht westlicher Demokratien nach Verlässlichkeit.
Doch allzu sicher fühlen sollten sich transatlantische Partner nicht, dass die USA ihre einstige Führungsrolle mit voller Kraft ausüben können. Schon früh in der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden zeichnet sich ab, dass er seinen Ansprüchen als Multilateralist nur zum Teil gerecht werden wird.
Das liegt zum einen an globalen Umständen, die jenseits von militärischen Konflikten schnelle Reaktionen erfordern. Doch die Welt verändert sich schneller, als Institutionen wie die Nato oder Formate wie G7 Schritt halten. Im Kampf gegen das Coronavirus herrscht Impfstoffnationalismus, und in der Abwehr von Cyberterrorismus zaudern die USA und Europa mit einer gemeinsamen Strategie, obwohl beide Kontinente betroffen sind.
Ob die USA tatsächlich als Chefmanager internationaler Konflikte zurückkehren, ist auch aus anderen Gründen zweifelhaft. Bidens Optionen in der Außenpolitik sind beschränkter, als die Appelle seiner Regierung suggerieren.
In der Afghanistankrise etwa kann Washington nicht mehr gewinnen. Biden könnte die Truppen wie geplant im Mai abziehen – und riskieren, dass das Land endgültig in Gewalt und Terror untergeht. Andererseits wird es für den US-Präsidenten auch in den eigenen Reihen immer schwieriger, den Einsatz nach 20 Jahren Dauer zu rechtfertigen.
Aktuell sendet die US-Regierung viele „mixed messages”, die das Versprechen von Kontinuität und Klarheit konterkarieren. So verlangt Washington nukleare Abrüstung vom Rest der Welt, will aber das eigene Militärbudget nur minimal kürzen. Und wenn Biden Kremlchef Wladimir Putin einen Mörder nennt, aber selbiges beim saudischen Kronprinzen unterlässt, ist das mindestens inkonsequent.
Kurswechsel kann nur ein Anfang sein
Auch auf diplomatischer Ebene stößt die Biden-Regierung an Grenzen, wie man an den eingefrorenen Beziehungen mit Nordkorea oder dem Iran sieht. Die frühen Konfrontationen mit China und Russland zeigen immerhin, dass Biden seinen Ankündigungen aus dem Wahlkampf Taten folgen lässt.
Doch langfristig muss Washington erst noch beweisen, dass scharfe Abgrenzung zielführend ist, wenn schon unter Trump Sanktionen und Strafzölle kaum Erfolge brachten. Erschwerend kommt hinzu, dass die USA keine globale Strategie umsetzen können, solange Europa im Verhältnis zu China und Russland gespalten ist.




Der Kurswechsel Washingtons ist spürbar, aber er kann nur ein Anfang sein. Für eine Revolution der internationalen Zusammenarbeit sind Absichtserklärungen nicht genug.





