Kommentar Deutschland braucht eine echte Einwanderungsstrategie, um unseren Wohlstand zu sichern

Der Fachkräftemangel gefährdet den Wohlstand in Deutschland.
Der Fachkräftemangel herrscht überall. Wer eine Servicekraft für sein Restaurant sucht, bekommt niemanden. Die Begründung lautet: In der Pandemie haben sich die Mitarbeiter umorientiert. Ein anderes Beispiel ist ein Taxifahrer, der sich während der Corona-Zeit fortgebildet hat und jetzt in der IT-Branche arbeitet. Der Fachkräftemangel in Deutschland eröffnet dem Einzelnen Chancen, reißt aber auch personelle Löcher.
Wenn der Chef der Bundesagentur für Arbeit sagt, Deutschland bräuchte künftig pro Jahr 400.000 qualifizierte Einwanderer, dann ist das schon eine Hausnummer. Das ist eine Stadt größer als Mannheim.
Die Vorgänger von Detlef Scheele hatten den undankbaren Job, Massenarbeitslosigkeit zu verwalten. Heute geht es um den Mangel an qualifiziertem Personal. Selbst wenn Deutschland alle inländischen Potenziale von der Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit bis hin zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit ausschöpft, bleibt eine Fachkräftelücke.
Die Große Koalition hat zwar gehandelt und ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet. Doch auch hier gilt wieder einmal: Große Koalition bedeutet kleine Lösungen. Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass die Pandemie das Thema weit in den Hintergrund gerückt hat. Ein großer Fachkräftezustrom wäre aus epidemiologischen, wirtschaftlichen und politischen Gründen nicht möglich gewesen. Aber eine echte Einwanderungsstrategie hat noch keine Bundesregierung entwickelt.
Es reicht nämlich nicht, ein paar Paragrafen in Gesetzen zu ändern. Fachkräftezuwanderung muss gelebt werden. Dazu gehört eine Willkommenskultur, die man den Deutschen nicht einfach überstülpen kann.
Dabei mangelt es nicht an guten Beispielen. Unsere Pandemie-Helden, die Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin, kommen aus Zuwandererfamilien. Genauso wie viele andere erfolgreiche Unternehmer. Im Profifußball haben zahlreiche Spieler einen Migrationshintergrund. Die Dax-Vorstände sind auch internationaler geworden, da ist aber noch Luft nach oben.
Gesunder nationaler Egoismus
Deutschland muss einen gesunden nationalen Egoismus entwickeln. Kanada und früher auch die USA buhlten um die besten Köpfen in der Welt. Bei uns gibt es oftmals das Phänomen der Zuwanderung in die Sozialsysteme. Das muss mal vom Kopf auf die Füße gestellt werden.
Wenn man aber sieht, wie schnell sich an den Biontech-Gründern eine Neiddebatte entzündete, weiß man, wie lange dieser Weg ist. Herausragende Leistungen, insbesondere von Zugewanderten, werden häufig missgünstig hinterfragt. Deutschland muss wieder eine Kultur der Anerkennung schaffen.
Für Leistung muss sich keiner schämen, für Ehrgeiz übrigens auch nicht. Mit einer woken Kultur der subventionierten Lastenfahrräder wird Deutschland bald nicht mehr in der Weltspitze mitspielen.
Momentan ist Deutschland noch die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wollen wir den Platz halten, muss sich hier etwas radikal ändern.
Der Fachkräftemangel spielt für die Wirtschaft eine herausragende Bedeutung. Auch wenn es momentan anständige Wachstumszahlen gibt, der Mangel an Fachkräften wird den Aufschwung zwar nicht kaputtmachen. Er gefährdet aber das mittel- und langfristige Wachstumspotenzial.
Die Liste der Mangelberufe wird immer länger
Jedes Bier, das nicht serviert werden kann, wird auch nicht verkauft. Jede Baustelle braucht doppelt so lange, wenn eben zwei Maurer statt vier arbeiten. In der IT-Branche gibt es keine Innovationen ohne ausreichend Programmierer. Die Liste der Mangelberufe wird immer länger.
Zumal viele Deutsche in der Schweiz kellnern, und manche Schweizer sich schon darüber beschweren, dass die Ärzte nur noch Hochdeutsch und kein Schwyzerdütsch mehr können, weil sie hochqualifizierte Gastarbeiter sind.
Der Auftrag an die neue Bundesregierung ist klar: Sie muss eine Willkommens- und Anerkennungskultur in Politik gießen. Mit einem höheren Spitzensteuersatz lockt man sicher nicht Topkräfte nach Deutschland. Natürlich ist es attraktiver, in einem Land wie der Schweiz zu arbeiten, wo die Steuer- und Abgabequoten viel niedriger sind.
Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat mit seinem Modernisierungsjahrzehnt das richtige Schlagwort gesetzt. Konkrete Inhalte oder Zielsetzungen aber hat er bislang wenige geliefert.
Wann präsentiert er seinen Masterplan für die Bereiche Digitalisierung, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz? Wann sagt er, dass Deutschland Steuerentlastungen braucht, um international wieder wettbewerbsfähiger zu werden?
Noch hat Deutschland ein gutes Image. Jüngstes Beispiel ist Elon Musk, der in Brandenburg seine Gigafabrik hochzieht. Auch wenn er das Wort Umweltverträglichkeitsprüfung inzwischen fehlerfrei aussprechen kann – wir brauchen nicht nur eine einzige Gigafabrik, sondern ein Giga-Einwanderungsgesetz. Das sichert unseren Wohlstand.
Mehr: Migration geht stark zurück – Problem des Fachkräftemangels verschärft sich
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