Kommentar Deutschland braucht mehr Start-up-Börsengänge – doch dafür fehlt das passende Ökosystem

An der deutschen Börse gab es in diesem Jahr keinen nennenswerten Börsengang.
Börsengänge sind ein guter Pulsmesser dafür, wie zuversichtlich eine Volkswirtschaft ist. Im Idealfall wagen junge Unternehmer den Sprung auf das Parkett, um mit dem eingesammelten Kapital das weitere Wachstum zu finanzieren. Gemessen an diesen sogenannten Initial Public Offerings – abgekürzt IPOs – ist es aber leider um Deutschland und seine innovativen Köpfe eher schlecht bestellt.
In diesem Jahr gab es bisher überhaupt kein nennenswertes Debüt eines Start-up-Unternehmens an der Börse hierzulande – an der Nasdaq dagegen allein 25 im dritten Quartal. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn jetzt die Stimmung in Deutschland bei den Risikokapitalfonds leidet. Wenn der „Exit“ über den Kapitalmarkt ausfällt, fehlt für sie einfach das Sahnehäubchen nach den vorangegangen Finanzierungsrunden.
Das Dilemma in Deutschland hat mehrere Gründe. Einmal fehlt einfach das Ökosystem aus milliardenschweren Fonds, potenten Emissionsbanken mit starkem Research und echten Entrepreneuren, die ein IPO auch als hervorragendes Marketinginstrument sehen. In den USA zeigen die Vorbilder von Facebook, Amazon und der Google-Mutter Alphabet, dass Börsengänge ein Unternehmen schlagartig weltweit bekanntmachen.
Das Debakel um den geplatzten Börsengang von WeWork werden die Amerikaner schnell abhaken – sie wissen, dass von zehn Investments meistens nur eine echte Perle übrig bleibt. In Deutschland fehlt dieser Optimismus, und es gibt immer noch das bisher nicht richtig überwundene Trauma des Neuen Markts, der um die Jahrtausendwende die Jungunternehmer mit windigen Geschäftsmodellen diskreditierte.
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Damit der deutsche Markt für Risikokapital nicht irreparablen Schaden nimmt, müssen die fehlenden Börsengänge schnell an einem runden Tisch thematisiert werden. Deutsche Börse, Banken, Emissionsberater und vor allem die Politik müssen das zur Chefsache machen und mindestens so hoch aufhängen wie die Grundrente.
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