Kommentar Deutschland kann in der Wohnungspolitik von den Briten lernen

Neben der Förderung von Bauvorhaben würde ein Bündel an Maßnahmen vielleicht dazu beitragen, die Einstellung der Deutschen zum Eigenheim zu ändern.
Es gibt nicht viel, was man in diesen Tagen politisch von den Briten lernen könnte. Das Brexit-Chaos bestimmte jahrelang die britische Politik. Doch einen Bereich gibt es, in dem London für die Bundesregierung als Vorbild dienen könnte: die Wohnungspolitik.
Die Briten sind ein Volk der Immobilienbesitzer. Während laut Statista nur etwas mehr als die Hälfte der Deutschen in ihren eigenen vier Wänden wohnt, sind es auf den britischen Inseln mehr als 65 Prozent. Für viele Briten ist es schon in jungen Jahren erklärtes Ziel, auf die sogenannte „property ladder“ zu springen, die „Immobilienleiter“, die einen durch stetigen Kauf und Verkauf von Immobilien Stufe für Stufe, von Immobilie zu Immobilie hin zu dem erwünschten Domizil bringt.
Dabei nehmen viele in Kauf, dass ihre erste Immobilie keinen hohen Ansprüchen genügt, und das ist sehr diplomatisch ausgedrückt: Zahllose Briten wohnen die ersten Jahre ihres Lebens als Eigenheimbesitzer in dunklen, engen Wohnungen, die selbst für britische Verhältnisse trostlos sind.
Sie setzen darauf, dass sie dank der Wertsteigerungen bald diese erste Immobilie mit Gewinn verkaufen und mit einem neuen, höheren Kredit und einer neuen Behausung die nächste Stufe der „property ladder“ in Angriff nehmen können.
Starthilfe bekommen sie dabei von der Regierung. Diese hat mit Programmen wie „Help to Buy“ oder „Starter Home“ Unterstützungen speziell für junge Immobilienkäufer eingeführt. Wer sich für „Help to Buy“ einschreibt, erhält so Zuschüsse beim Ansparen für die Anzahlung der ersten Immobilie. Bei „Starter Home“ vergibt der Staat Geld für den Kauf eines neu gebauten Heims.
Zwar sind auch diese Maßnahmen keineswegs perfekt. Kritiker sagen, dass sie die Preisexplosion am Wohnungsmarkt noch befeuern und Immobilienbesitzer zu Spekulanten machen könnten. Doch wenn man die Eigentümerquote erhöhen will, sind derartige Programme zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Grunderwerbsteuer macht Immobilienkauf schwerer
Hierzulande können junge Menschen nicht auf große Hilfe vom Staat hoffen. Das Gegenteil ist der Fall: Durch die Grunderwerbsteuer langt dieser beim Immobilienkauf sogar noch kräftig zu.
Und gerade die Grunderwerbsteuer führt dazu, dass für viele Deutsche der Traum vom Eigenheim in weite Ferne rückt. Schließlich fällt beim Immobilienkauf nicht nur der Kaufpreis an, sondern es gibt noch die üppigen Rechnungen für die Erwerbsnebenkosten. Und diese bestehen neben der regional unterschiedlich hohen Grunderwerbsteuer aus Notar- und Grundbuchkosten sowie häufig Maklerkosten. Nicht selten kommen dadurch mehrere Zehntausend Euro zusammen, die Banken üblicherweise nicht über den Kredit mitfinanzieren lassen. Gerade für junge Immobilienkäufer in Deutschland stellen die Erwerbsnebenkosten somit eine zu hohe Hürde dar.
Dabei könnten besonders sie davon profitieren, wenn sie, statt Miete zu zahlen, monatlich einen Kredit tilgen und damit Vermögen für ihr Alter ansparen. Hier könnte und müsste die Regierung einspringen, wenn ihr tatsächlich daran gelegen ist, die Zahl der Eigenheimbesitzer zu erhöhen.

Immerhin hatte die Große Koalition das Baukindergeld eingeführt. Ein Schritt in die richtige Richtung. Doch dieses Jahr wird das Programm gleich wieder eingestellt. Auch die vor wenigen Wochen in Kraft getretene Neuregelung der Maklerprovision soll helfen. Aber mit anderen Eingriffen der Regierung, wie dem geplanten Umwandlungsverbot, droht sich die Lage am Immobilienmarkt gar zu verschlechtern. Dass einzelne Wohnungen innerhalb eines Hauses künftig nicht mehr so einfach in Eigentumswohnungen umgewandelt werden können, wird vielleicht die darin wohnenden Mieter schützen – aber sicher nicht dazu beitragen, dass das Angebot für Wohnungskäufer steigt.
Dabei ist es nicht zuletzt das geringe Angebot an Wohnraum, das die Preise treibt. Um den Bedarf an Wohnfläche zu decken, müssten nach Hochrechnungen des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bundesweit rund 341.700 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, davon 62.800 in den sieben größten Städten. Allein in Berlin müssen bis 2030 jährlich rund 21.000 neue Einheiten errichtet werden. Aktuell baut die Hauptstadt aber nicht einmal 17.000.
Dieses Problem ist nicht neu. Und es wäre an der Zeit, es einmal anzugehen. Neben der Förderung von Bauvorhaben würde ein Bündel an Maßnahmen vielleicht dazu beitragen, die Einstellung der Deutschen zum Eigenheim zu ändern. Zuschüsse oder Garantien bei der Aufnahme von Immobilienkrediten für spezielle Käufergruppen, wie es die Briten tun, wären eine Überlegung wert.
Aber es ist zu befürchten, dass gerade im Wahljahr 2021 manch ein Politiker lieber mit vollmundigen Versprechen zu anderen Wohnungsthemen auf Stimmenfang geht. Maßnahmen wie der Mietendeckel klingen wuchtiger, selbst wenn sich dessen Wirkung in Grenzen hält. Aber Mieter stellen eben auch die größte Wählergruppe dar.
Deswegen ist zu befürchten, dass sich im Jahr 2021 eines fortsetzt: Die Preise am Wohnungsmarkt steigen. Und die wenigsten Deutschen profitieren davon.
Mehr: Absurder Wohnungsmarkt: Die schädlichen Nebenwirkungen des Berliner Mietendeckels.
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