Kommentar Deutschland steuert auf eine Staatswirtschaft zu

Der Bundeswirtschaftsminister wärme alte Vorschläge auf.
„Bazooka“, „whatever it takes“, „think big“. Wer vielen Politikern in der Coronakrise zuhört, dem kann schwummerig werden. Es sind nicht nur die Worte, sondern auch die Taten, die einen aufhorchen lassen.
Zunächst werden immense Rettungsschirme aufgespannt mit Bürgschaften und Kurzarbeitergeld. Es wird aber auch der Marsch in die Staatswirtschaft vorbereitet. Anders als zu Zeiten der Lehman-Krise sollen nicht nur Banken verstaatlicht werden, sondern auch große und mittlere Unternehmen der Realwirtschaft.
Interessanterweise sind es bürgerliche Politiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, die gewaltige Summen dafür mobilisieren wollen. Der Bund will mit 100 Milliarden Euro Unternehmensanteile erwerben, Bayern legt 20 Milliarden drauf.
Die wildesten Träume von Kevin Kühnert scheinen wahr zu werden. Der Aufschrei war groß, als der Juso-Chef die Vergesellschaftung von BMW forderte, wenn das Kollektiv es wolle. In der Coronakrise braucht es jetzt kein Kollektiv mehr, sondern interventionistische Industriepolitiker.
Der Bundeswirtschaftsminister wärmt Vorschläge auf, die er bereits vor der Krise in seiner Industriestrategie aufgeschrieben hat. Damals gab es einen riesigen Aufschrei vor allem bei den Familienunternehmen.
Eigentlich wäre es der Job des Wirtschaftsministers, nach milderen Eingriffen zu schauen, etwa direkte Subventionen oder eine steuerliche Forschungsförderung ohne Deckel und Bürokratie. Das würde den Industrieunternehmen mehr helfen, als wenn demnächst die Ministerialräte in den Aufsichtsräten von Lufthansa, Thyssen-Krupp oder BASF sitzen. Letztere Unternehmen hatte Altmaier schon vor der Krise als schützenswert angesehen.
Staatswirtschaft anstelle von Planwirtschaft
Sicher ist, Deutschland steuert nicht auf eine Planwirtschaft, sondern auf eine Staatswirtschaft zu. Derzeit umfasst das Portfolio des Bundes bereits die Börsenschwergewichte Telekom, Post, Airbus und die schwächelnde Commerzbank. In den letzten zwanzig Jahren wurden zwar die Anteile reduziert. Wo der Staat aber einmal die Hand drauf hat, nimmt er sie nicht mehr herunter.
Kommen demnächst Lufthansa und der Reisekonzern Tui dazu? Geht Bayern den Weg von VW-Anteilseigner Niedersachsen und beteiligt sich an BMW? Dann hätte der Freistaat dasselbe Konstrukt wie das Bundesland im Norden. Dort wird der Autokonzern von einer Familie gesteuert, und der Ministerpräsident sitzt im Aufsichtsrat. Söder hätte da sicher nichts dagegen.
Die Kräfte des Wettbewerbs erlahmen jedoch mit dieser Entwicklung. Kein Unternehmer hat doch nach der Rettung durch den Staat und einer kräftigen Umarmung durch die Ministerialbürokratie noch die Hände zum Arbeiten frei, geschweige denn den Kopf. Da geht es gar nicht primär ums Geld, sondern um die Geisteshaltung vor allem des Mittelstands, für die Deutschland weltweit bewundert wird.
Schon fantasieren einige in der Politik über Listen mit Hunderten systemrelevanten Firmen, die alle geschützt werden müssen. Es entscheiden dann nicht mehr Markt und Wettbewerb, sondern Staat und Politik. Das geht einmal gut und dreimal daneben.
Die Politik richtet sich nicht am Markt aus, sondern an den Bedürfnissen der Gewerkschaften. Kein Politiker wird ein Werk schließen, das liegt gar nicht in deren DNA. Sie sind darauf geeicht, kurzfristig Arbeitsplätze zu retten und Standorte zu erhalten. Politisch kann das bis zur nächsten Wahl immer Sinn haben. Aber da werden Muskeln an der falschen Stelle aufgebaut. Wirtschaftlich können Zombies entstehen, die künstlich am Leben erhalten werden.
Werden europäische Champions abgelöst?
Bislang träumten Altmaier und Co. von europäischen Champions. Jetzt hat man den Eindruck, es geht um nationale Champions. Es ist schwer vorstellbar, dass Deutschland beim 5G-Ausbau nicht nur auf Huawei, sondern auch auf Ericsson und Nokia verzichtet – zwei solide skandinavische Unternehmen.
Der Familienunternehmer Dräger, der die Welt mit Beatmungsgeräten beliefert, wies jüngst auf die internationale Arbeitsteilung mit ihren Lieferketten hin. Wird dieser Vorzeigeunternehmer auch unter den Schutz des Staates gezwungen, obwohl er gerade tagtäglich zeigt, was die Soziale Marktwirtschaft ausmacht? Nämlich mutiges unternehmerisches Handeln gepaart mit Verantwortungsgefühl. Man kann mit Fug und Recht behaupten, ein VEB-Großkombinat hätte wohl nicht mal die Hälfte an Beatmungsgeräten herstellen können und diese auch nur mit minderer Qualität.
Bürgerliche Politiker wie Altmaier und Söder wollen sicher keine Planwirtschaft. Aber sie öffnen die Tür zum Staatseinfluss mehr als einen Spalt. Sie sollten schon mal ihre Rhetorik zurückfahren, außer sie glauben daran. Dann könnte das Erwachen fürchterlich sein.
Nach der Krise wäre Deutschland weniger wettbewerbsfähig, weniger innovativ. Gerade dann bräuchte man aber alle Kräfte, um im Wettbewerb mit anderen Ländern voll durchstarten zu können.
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Immer noch besser Politiker, die bei neuen Herausforderungen auch neue Wege für möglich halten, als die Bedenkenträger mit ihren ewiggestrigen Angstkampagnen.
Wäre Ihr Argument richtig, müsste man sich mit der gleichen Argumentation ‚wo der Staat die Hand draufhält, lässt er nicht mehr los‘ auch gegen die aktuellen Ausgangs-, Reise-, Konsum-, Versammlungseinschränkungen stellen. Tun wir -zum Glück- aber nicht weil es jetzt richtig ist und dann wieder gelockert werden muss. Darauf muss der Bürger vertrauen und auch aktiv darauf bestehen. Natürlich sollte der Staat sich im Zweifel an Unternehmen beteiligen wenn das kurzfristig nötig ist und dann sich auch wieder zurückziehen.
Um Gottes Willen! Eine Politik, die kaum die eigenen Aufgaben erledigen kann, will sich nun in großem Stil an Unternehmen beteiligen? Ich fürchte, das wird die deutsche Wirtschaft endgültig weit zurückwerfen.