Kommentar: Die AfD treibt SPD und Union in die Ratlosigkeit


Die politische Mitte ist nervös geworden. Während die CDU am Sonntag und Montag bei einer Klausurtagung über die Frage diskutiert, ob die Brandmauer zur AfD noch zeitgemäß ist, will die SPD die Partei lieber verbieten. Zwei gegensätzliche Strategien, die dasselbe Problem offenbaren: eine tiefe Orientierungslosigkeit im Umgang mit den Rechtspopulisten, die das demokratische System herausfordern.
Dabei hatten Union und SPD sich längst auf eine gemeinsame Linie verständigt. Im Koalitionsvertrag heißt es, die Parteien der Mitte trügen eine besondere Verantwortung für den Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und schlössen jede Zusammenarbeit mit rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Kräften aus, auch im Parlament. Dieses Bekenntnis sollte Klarheit schaffen. Heute wirkt es wie ein Dokument aus einer anderen politischen Zeit.
Die Union verliert sich im Streit über taktische Spielräume. Wenn ehemals einflussreiche Politiker von CDU und CSU die Brandmauer infrage stellen, untergraben sie den Unvereinbarkeitsbeschluss von 2018 und verwischen die Grenze zwischen demokratischer Konkurrenz und einer Partei, die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.
Die SPD wiederum setzt auf den Rechtsstaat und hofft, dass ein Verbotsverfahren das AfD-Problem juristisch löst. Doch ein Verbot der Partei ersetzt keine politische Auseinandersetzung und birgt vor allem das nicht zu unterschätzende Risiko, dass es scheitert und die AfD dadurch noch stärker wird.
Beide Parteien reagieren auf den Erfolg der AfD mit Nervosität statt mit einer durchdachten Strategie. Sie reden über Abwehrmaßnahmen, aber kaum über Ursachen. Dabei ist längst klar: Die AfD gewinnt dort, wo die Mitte erodiert, weil ihre Repräsentanten immer weniger als Kümmerer wahrgenommen werden, die echte Lösungen für die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger liefern. Wer nur auf Brandmauern oder Gerichte setzt, zeigt, dass er selbst nicht mehr weiß, wie er Vertrauen in die eigene Problemlösungskompetenz zurückgewinnen kann.




Schlägt diese Hilflosigkeit in Orientierungslosigkeit um, stellt das die Demokratie erst recht auf die Probe. Denn wenn die Parteien der Mitte ihren moralischen und politischen Kompass verlieren, gerät das Fundament des demokratischen Konsenses ins Wanken. Vor allem, wenn sie ihre Haltung nach Umfragen statt nach Überzeugungen ausrichten.
Wenn es nicht gelingt, in der AfD-Debatte parteiübergreifend eine klare Linie zu ziehen, entsteht ein gefährliches Vakuum – eines, das die Rechtspopulisten längst gelernt haben zu füllen.
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