1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Meinung: Warum ein steigender Benzinpreis unausweichlich ist

KommentarDie Benzinpreise müssen steigen

Statt eine Benzinpreisbremse zu fordern, sollte die Politik über Entlastung für gering verdienende Pendler und Alternativen zum Auto diskutieren.Christian Rickens 07.06.2021 - 04:05 Uhr Artikel anhören

Dass Benzin teurer wird, wenn der Preis für den CO2-Ausstoß steigt, sollte selbstverständlich sein.

Foto: dpa

Düsseldorf. Die Klimapolitik in Deutschland folgt seit Jahren dem Prinzip „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Mittlerweile sind sich alle Politiker diesseits der AfD einig, dass es sich beim Kampf gegen den Klimawandel wahlweise um eine „Jahrhundertaufgabe“ oder ein „Menschheitsthema“ handelt.

Sobald es aber darum geht, dass sich der CO2-Ausstoß nur durch konkrete Verhaltensänderungen verringern lässt, herrscht eine ganz andere Art von Einigkeit: Klimaschutz gern, aber bitte nur, wenn wir alle weiterhin so viel Fleisch essen, so häufig nach Mallorca fliegen und so dicke Autos fahren dürfen wie bisher.

Auch das Recht aufs Wohnen im Einfamilienhaus erlangt dann schnell rhetorischen Verfassungsrang. Arbeitsplätze in energieintensiven Branchen bis hin zum Braunkohleabbau dürfen natürlich auch nicht gefährdet werden. Aber abgesehen davon: Klimaschutz – super Sache, total wichtig. Vor allem die Inder und Chinesen müssten sich da wirklich mehr anstrengen.

Das jüngste Beispiel für diese Schizophrenie liefert die Debatte um steigende Benzinpreise. Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat den Fehler gemacht, in Wahlkampfzeiten auszusprechen, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte: dass sich ein steigender Preis für CO2-Emissionen auch in einem steigenden Spritpreis niederschlagen wird. Konkret sprach die Kanzlerkandidatin der Grünen von einer schrittweisen Anhebung um 16 Cent pro Liter.

Appelle werden nicht reichen

Daraufhin entdeckten Union, SPD und FDP plötzlich die Nöte der Berufspendler. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae forderte eine „Benzinpreisbremse“, und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wetterte via „Bild“: „Wer jetzt einfach immer weiter an der Spritpreisschraube dreht, der zeigt, wie egal ihm die Nöte der Bürgerinnen und Bürger sind.“

Es lohnt sich an dieser Stelle, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, auf welchen Wegen der CO2-Ausstoß in Deutschland reduziert werden kann. Grundsätzlich gibt es dazu drei Wege: erstens freiwillige Verhaltensänderungen durch Einsicht in die Notwendigkeit. Zweitens staatliche Verbote. Und drittens höhere Preise für den Ausstoß von Klimagasen, vorzugsweise über die Verknappung von Emissionszertifikaten.

Wer die immer gewaltigeren SUV-Monster sieht, die in deutschen Innenstadt-Wohngebieten die Bürgersteige zuparken, wird skeptisch, ob sich das Regierungsziel der Klimaneutralität bis 2045 allein mit freiwilligen Appellen erreichen lässt. Verbote mögen da wirksamer sein.

Aber wollen wir wirklich einen Staat, der festlegt, wie viele Schnitzel wir essen, wie viele Urlaubsreisen wir machen und zu welchem Zweck wir einen Pkw benutzen dürfen? Mitsamt den dazugehörigen Bezugsscheinen und Ausnahmeanträgen?

Bleibt der Preis als wirksames und effizientes Instrument, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Unter Ökonomen herrscht weitgehend Konsens, dass dieser Weg der beste ist, und so steht es übrigens auch im Programm der FDP. Zur Wahrheit gehört aber: Wenn der CO2-Ausstoß teurer wird, dann werden es auch die dahinterstehenden Produkte.

Preismechanismus gilt auch beim Klimaschutz

Und dann werden sich reiche Menschen am Ende mehr Kalbsschnitzel, Urlaubsflüge und Tankfüllungen leisten können als arme. Diese Nachricht sollte eigentlich weder für die FDP-Spitze noch für den SPD-Finanzminister allzu überraschend sein. Man munkelt sogar, dass sich Menschen mit viel Geld schon heute mehr kaufen können als andere, ganz ohne Klimaschutzeffekt.

Sarkasmus beiseite: Wenn Politiker den Preismechanismus beim Klimaschutz reflexartig infrage stellen, sobald sich dadurch Preise erhöhen, führen sie auch den Klimaschutz selbst ad absurdum. Wäre Benzin zum Beispiel bereits vor 20 Jahren deutlich teurer geworden, dann wäre die Autoindustrie schon viel früher auf verbrauchsarme Modelle umgeschwenkt und die Berufspendler könnten die Spritkosten heute leichter schultern.

Das erste Dreiliterauto brachte VW bereits Ende der 90er-Jahre auf den Markt. Es geriet zum Flop – auch deshalb, weil Sprit bis heute so billig ist, dass sich die Energiespartechnik nicht lohnte und die Komforteinschränkungen unzumutbar erschienen.

Verwandte Themen Klimawandel Umweltschutz Deutschland

Wer sich als Politiker wirklich um die gering verdienenden Berufspendler sorgt, der könnte anderes fordern: eine höhere Pendlerpauschale, unabhängig vom Verkehrsmittel. Einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, auch im ländlichen Raum. Die Förderung von Fahrgemeinschaften. Mehr Radschnellwege. Die Möglichkeit zur Heimarbeit.

All diese Instrumente sind mit Klimaschutzzielen vereinbar. Eine Benzinpreisbremse ist es nicht.

Mehr: Höhere Benzinpreise: Baerbock wirft Koalition „besondere Form der Selbstvergessenheit“ vor

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt