Kommentar Die Börsenaufsicht muss dringend reformiert werden

Das Unternehmen mit einem Marktwert von rund 25 Milliarden Euro wird bisher primär von der hessischen Börsenaufsicht kontrolliert.
Wie groß die Bedeutung der Deutschen Börse für das Finanzsystem ist, wird vor allem dann deutlich, wenn etwas schiefgeht. 2020 legten technische Pannen den Handel zweimal für mehrere Stunden lahm. Betroffen davon waren nicht nur Aktien- und Derivategeschäfte in Frankfurt, sondern auch in Wien, Prag, Budapest, Zagreb, Ljubljana, Sofia und Valletta. Alle diese Handelsplätze nutzen nämlich das System des Frankfurter Dax-Konzerns.
Die Vorfälle zeigen eindrücklich, dass Börsen systemrelevante Unternehmen sind, bei denen Versäumnisse Auswirkung weit über die Landesgrenzen hinaus haben können. Dass Deutschlands größter Börsenbetreiber dennoch primär von der hessischen Börsenaufsicht kontrolliert wird, die zum Wirtschaftsministerium in Wiesbaden gehört, ist schon lange nicht mehr zeitgemäß.
In einem ersten Schritt sollte die Zuständigkeit für die Börsen deshalb in Deutschland zentralisiert werden. Eine Bündelung der Kompetenzen bei der Finanzaufsicht Bafin hätte den Vorteil, dass die Behörde bei der Überwachung des Handels auch Erkenntnisse aus anderen Abteilungen einfließen lassen könnte. So könnte die Bafin illegale Geschäft möglicherweise besser aufspüren, als dies bisher der Fall ist.
Mittelfristig sollte die Kontrolle von Börsenbetreibern – genauso wie die von Zahlungsdienstleistern – europäisch geregelt werden. Die Struktur der EU-Bankenaufsicht kann dabei als Vorbild dienen.
Sie sieht vor, dass die Federführung für Großbanken bei der Europäischen Zentralbank liegt, die bei der Überwachung der Institute in gemischten Teams mit nationalen Aufsichtsbehörden zusammenarbeitet. Kleinere Banken werden weiter von Bafin und Bundesbank überwacht.
Brisant wäre bei einer Europäisierung der Börsenaufsicht die Frage, was mit dem Vetorecht geschieht, das deutsche Behörden aktuell bei Beteiligungen und Fusionen haben. Laut Börsengesetz können sie Zusammenschlüsse untersagen, wenn dadurch „die Durchführung und angemessene Fortentwicklung des Börsenbetriebs beeinträchtigt wird“.
Die Kontrolleure in Wiesbaden mussten von diesem Vetorecht bei den letzten beiden Fusionsversuchen der Deutschen Börse mit der New York Stock Exchange und der Londoner Börse zwar keinen Gebrauch machen, weil die Deals jeweils von den EU-Wettbewerbshütern untersagt wurden. Doch die Behörde hat in beiden Fällen deutlich gemacht, dass sie die Fusionen notfalls blockiert hätte, um eine Schwächung des Finanzplatzes Frankfurt zu verhindern. Dieser Aspekt wäre einer europäischen Börsenaufsicht sicher weniger wichtig.
Mehr: Finanzaufsicht Bafin prüft strengere Überwachung der Deutschen Börse.
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