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Kommentar Die Bundesregierung muss die Energiewende ernst nehmen – und es beweisen

Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird Deutschland in Sachen Energiewende vom Musterschüler zum Problemfall. Dabei liegt die Lösung auf der Hand. 
18.04.2021 - 15:02 Uhr 3 Kommentare
Deutschland läuft Gefahr, seine Ziele deutlich zu verfehlen.  Quelle: dpa
Energiewende

Deutschland läuft Gefahr, seine Ziele deutlich zu verfehlen. 

(Foto: dpa)

Weil sie jahrzehntelang von der ganzen Welt als Vorzeigenation in Sachen Energiewende gefeiert wurde, scheint die Bundesregierung nicht zu sehen, dass sie gerade mit offenen Augen gegen die Wand rennt. Dabei sind die Fakten klar: Geht es mit dem Ausbau von Wind- und Solarkraft so weiter wie bislang geplant, laufen wir in eine Ökostromlücke.

Wir würden unser ohnehin schon zu niedrig gestecktes Ziel von 65 Prozent erneuerbarem Strom bis 2030 nicht erreichen, dann unsere Klimaziele verfehlen und die der europäischen Union gleich mit. Aber die schon fast als Arroganz anmutende Haltung der Politik zieht noch ganz andere Folgen nach sich. Folgen, die nicht nur im Verfehlen von theoretischen Zielen bestehen.

Während um den Kohleausstieg jahrelang unter dem Hauptargument des drohenden Arbeitsplatzverlustes gestritten wurde und die Autoindustrie sich mit demselben Argument, im Versuch den Verbrenner zu retten, mindestens genauso lange gegen die Elektromobilität gewehrt hat, scheinen die Arbeitsplätze in der Wind- und Solarindustrie niemanden wirklich zu interessieren. 

Anders ist es kaum zu erklären, dass die über 50.000 Stellen, die in den vergangenen fünf Jahren allein in der Windindustrie verloren gegangen sind, keinen landesweiten Protestschrei ausgelöst haben. Dabei reden wir hier von der Energieform, die schon jetzt 23,5 Prozent des Stroms liefert und in Zukunft die wichtigste Stromquelle des Landes werden soll. 

Sicher, für den Arbeitsplatzabbau ist nicht nur der schleichende Ausbau der Windenergie hierzulande verantwortlich, sondern auch ein harter internationaler Preiskampf in der Branche. Dass die Politik jahrelang ignoriert hat, warum kaum mehr ein Windrad aufgestellt wird, hat die Krise allerdings für nicht wenige Unternehmen massiv verschärft. 

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Noch schlimmer hat es die Solarindustrie getroffen. Seit 2012 die Subventionen radikal gekappt wurden, hat sich ein Modulhersteller nach dem anderen verabschiedet. Dem Preisdruck der billigen Konkurrenz aus China war man ohne die Förderungen nicht mehr gewachsen. In der Branche haben bis heute zwischen 60.000 und 70.000 Menschen ihren Job verloren. 

Gerade erst hat sich der verbliebene Rest der Industrie ein bisschen erholt. Im vergangenen Jahr wurden wieder neue Modulproduktionen angekündigt, wie die von Meyer Burger geplante Fabrik in Sachsen-Anhalt. 2020 wurden so viele Solarzellen verbaut wie seit Jahren nicht mehr und es werden endlich wieder mehr neue Firmen gegründet, die von dem künftigen Boom profitieren wollen. Wenn er denn kommt. 

Die deutsche Regierung steht sich selbst im Weg

Fakt ist: Jetzt, da Wirtschaft und Politik endlich die richtige Richtung eingeschlagen haben, bremsen falsche Prognosen und zu niedrige Ausbauziele die Zukunftsbranchen schon wieder aus. Eigentlich sollten die für Solar und Wind an Land noch im ersten Quartal dieses Jahres angehoben werden. Passiert ist, wie so oft – nichts. 

Eine andere Industrie, die gerade erst am Anfang steht, wird auch immer wieder vertröstet: die Firmen, die mit der Herstellung von grünem Wasserstoff in Zukunft ihr Geld verdienen wollen. Es ist noch nicht klar, wann ein staatliches Finanzierungsmodell zur Förderung der hochgelobten Wasserstoffwirtschaft kommt. Ohne dieses wird ein Hochlauf der grünen Technologie so schnell allerdings nicht gelingen. 

Es wurde jahrelang über die Arbeitsplätze der fossilen Industrien diskutiert, aber wenn es um die Zukunftssektoren geht, scheinen sie als Argument nicht zu genügen. Dabei hat Deutschland jetzt noch die Chance, das Ruder rumzureißen. Es ist noch nicht zu spät, nur um das an dieser Stelle noch einmal deutlich zu sagen. 

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Wenn die Ausbauziele hochgesetzt, die Bürokratiehürden abgebaut und die Rahmenbedingungen für grünen Wasserstoff endlich festgeschrieben werden, können nicht nur Tausende neuer Arbeitsplätze entstehen, sondern die eigenen Klimaziele vielleicht auch mal ohne die Folgen einer weltweiten Pandemie erreicht werden. 

Nur wird es natürlich schwierig, wenn das Tempo quo im schlimmsten Fall sogar zu einer Laufzeitverlängerung der Kohlekraftwerke führen könnte, die nach 2030 noch am Netz sind. Die drohende Stromlücke kann laut Berechnungen des Marktforschungsunternehmens EuPD nämlich gerade mal bis 2023 mit europäischen Importen gedeckt werden. Und wer glaubt, sich in Sachen Grünstromimporte auf die restlichen EU-Mitgliedstaaten verlassen zu können, hat weit gefehlt. 

In Sachen Ökostrom steht Deutschland im europäischen Vergleich nämlich noch gut da. Logisch, wir waren ja auch lange allein an der Spitze. Heißt aber eben auch, dass fast all die restlichen Mitgliedstaaten erst mal selbst gucken müssen, wo sie bleiben. Der graue Strom kann natürlich über den Kauf von Zertifikaten ausländischer Wasserkraft nachher grün gefärbt werden. 

Nur wirklich geholfen ist damit am Ende leider keinem. Weder der heimischen Industrie, noch der Politik und am allerwenigsten dem Klima. 

Mehr: Wie die Regierung mit falschen Prognosen Deutschlands Energiezukunft gefährdet

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3 Kommentare zu "Kommentar: Die Bundesregierung muss die Energiewende ernst nehmen – und es beweisen"

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  • "Weil sie jahrzehntelang von der ganzen Welt als Vorzeigenation in Sachen Energiewende gefeiert wurde, scheint die Bundesregierung nicht zu sehen, dass sie gerade mit offenen Augen gegen die Wand rennt." (...) Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte achten Sie auf unsere Netiquette: Kommentare sind keine Werbeflächen. https://www.handelsblatt.com/netiquette

  • Ja, es war falsch, dass die Autoindustrie mit Arbeitsplätzen argumentiert hat. Sie hätte wahrheitsgemäß damit argumentieren sollen, dass Batteriefahrzeuge bei uns gegenüber Verbrennern überhaupt keinen CO2-Vorteil haben. Die Arbeitsplätze in der Solar- und Windindustrie taugen ebenfalls nicht als Argument. Vor 10 Jahren arbeiteten 100.000 Menschen in der Windkraft und 60.000 in der Fotovoltaik. Jährliche Subvention 12 Milliarden. Später mehr. Man hätte die Angestellten gleich Urlaub machen lassen können. Wer von Windkraft an Land schwärmt soll mal in die Gegend südlich von Paderborn fahren. Da ist Ende Gelände. Und wenn Volatilstrom anderswo ausgebaut wird muss man jedenfalls die Grenzen der Netzstabilität im Auge behalten. Wenn über Elektromobilität, Wärmepumpen usw. der Stromverbrauch hochgeht dann wird das auch nichts mit Kohlestrom verbieten. Traumtänzer allerorten. Auch in Redaktionen.

  • Mit derartigen substanzlos-naiven, unreflektzierten Pipi-Langsdtrumpf-Beiträgen kommen wir einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende leider nicht näher!

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