Kommentar Die Debatte um Ausgangssperren ist typisch deutsch

Je eher wirklich einschneidende Maßnahmen verhängt werden, die kurz und heftig sein müssen, desto schneller kann das Leben in Deutschland wieder freier werden.
Manchmal ist Deutschland ein merkwürdiges Land. Überall wird medial gefeiert, wie in Israel wieder Menschen zu Partys zusammenkommen. Die Freude ist groß, zu sehen, wie in Großbritannien Pubs wieder öffnen. Und neidisch werden Fernsehberichte verfolgt, wie in Dubai das Strandleben wieder um sich greift. Alles das sind schöne und hoffnungsvoll stimmende Bilder. Bilder, die große Lust machen, dass es auch sehr bald in Deutschland wieder so wird.
Doch dabei wird geflissentlich übersehen, dass diese schönen Wiedereröffnungen von Bars, Geschäften und Kinos am Golf oder an der Themse das Resultat monatelanger härtester Lockdowns sind. Briten und Emiratis haben einen hohen Preis der Freiheit für die heutigen Freiheiten gezahlt. Nur so konnten sie – zusammen mit hohen Impfquoten – die Infektionszahlen vor den Öffnungen drastisch senken.
Nächtliche Ausgangssperren gehörten dazu, drastische Reisebeschränkungen, Verbote, die in Deutschland bisher nicht ansatzweise eingeführt wurden und die hierzulande als Anschlag auf das Grundgesetz denunziert werden.
Natürlich ist nichts damit gewonnen, wenn nun, statt abends nach draußen zu gehen, heimlich Treffen in den eigenen vier Wänden organisiert würden. Und nichts spricht dagegen, dass Menschen allein im Freien joggen oder zwei Menschen spazieren gehen. Dies zu verbieten und zugleich die Anzahl der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel nicht zu begrenzen oder Schulen auch bei hohen Inzidenzzahlen offen zu halten ist widersinnig.
Alles ist besser als die Ziehharmonika aus Öffnung und Schließung
Doch Feiern im Freien, bei denen die Aussprache umso feuchter wird, je länger der Abend dauert, sind potenziell genauso gefährlich wie stundenlanges Fastenbrechen mit viel Essen in großen Gruppen im Park. Mehrere muslimische Länder haben bereits im islamischen Fastenmonat Ramadan, der am Dienstag begonnen hat, das feierliche allabendliche Fastenbrechen mit mehr als der eigenen Familie sowohl im Freien wie auch drinnen untersagt. Deutschland nicht.
Je eher wirklich einschneidende Maßnahmen verhängt werden, die kurz und heftig sein müssen, desto schneller kann das Leben in Deutschland wieder freier werden – ohne ständigen Ziehharmonikaeffekt immer wiederkehrender Öffnungs- und Schließungsrituale. Denn genau der ist es, der die Wirtschaft in die Knie zwingen wird – nicht ein planbarer Zeitraum eines harten Lockdowns.
Das sollten uns die Beispiele aus Israel, Großbritannien oder Dubai zeigen. Jetzt noch lange zu warten hieße, das ohnehin schon leidgeprüfte und dauerüberlastete medizinische Personal doch noch in die Lage zu zwingen, entscheiden zu müssen, wen es behandeln kann und wen nicht mehr. Diese Triage muss sich Deutschland unbedingt ersparen.
Mehr: Bundesregierung beschließt einheitliche Corona-Notbremse.
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Bislang hat niemand einen Beleg dafür gebracht, dass Ausgangssperren irgendetwas bewirken. Hier fehlen seit einem Jahr saubere Studien zur Wirksamkeit von Maßnahmen. Das möchte auch keiner, weil damit vielleicht belegt würde, dass Politik und Virologen falsch liegen und die falsche Medizin verordnet haben.
Wir reden hier von recht abgeschotteten Gebieten, die nicht mit Deutschland inmitten der EU vergleichbar sind. Ein kurzer harter Lockdown hätte bei uns nur temporär vielleicht etwas gebracht. Auch einen solchen Lockdown hätten wir 3 - 4 wiederholen müssen und selbst dann, wäre der Erfolg fraglich gewesen. Statt dessen, hätten wir die gefährdeten Gruppen deutlich besser schützen können.
Falsch. Ich darf nach 21 Uhr mit einem Kochtopf auf dem Kopf einen Strommasten hochklettern und von da oben die Internationale singen. Punkt. Warum? Weil die allgemeine Handlungsfreiheit ein grundrechtlich verbürgtes Recht ist. Die BRD ist ein freiheitlicher Staat, deshalb lebe ich hier und nicht in Nordkorea. Niemand hat nach dem Sinn dieser Handlung zu fragen. Der Rechtfertigungsaufwand zur Einschränkung dieses Gutes ist äußerst hoch. Der Staat hat die Pflicht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten 1) Geeignetheit der Maßnahme 2) Erforderlichkeit 3) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (gibt es mildere Mittel). Es gelten keinerlei andere Maßstäbe. Keinerlei.
PS: Heute Morgen bin ich auf dem Weg zum Gericht (welches immer noch keine Video-Konferenzmöglichkeit eingerichtet hat, hier aber der Staat repräsentiert wird, der keinerlei Vorbildwirkung erzeugt) durch zwei Rauchwolken von Rauchern gelaufen. Der Rauch wurde freilich zuvor inhaliert. Kein Einzelfall. Die Corona-Infektion einer Freundin führt der Hausarzt auf eine Aerosolwolke im Treppenhaus zurück. Mutante. Keine weiteren Fragen Euer Ehren.
Herr Brüggmann, in Linie mit unserer Regierung, hat offensichtlich noch nichts davon gehört, dass selbst die WHO seit Monaten von Lockdowns (von Ausgangssperren ganz zu schweigen!) abrät, da die Kollateralschäden um ein vielfaches schädlicher und tödlicher sind, als das Virus.
Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass alle Einschränkungen, die man den Bürgern auferlegt, nicht wieder irgendwann freiwillig aufgehoben werden.
Liest man wissenschaftliche Arbeiten von Virologen und Epidemiologen so findet man die einheitliche Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Pandemiebekämfung darin besteht: 1. ein konsequenter (harter) Lockdown, der umso kürzer ist, je früher er, d.h. bei noch möglichst niedrigen Infektionszahlen beschlossen wird und 2. eine darauf folgende effiziente Test- und Nachverfolgungsstrategie (Test and Trace) + effektive Impfkampagne sobald ein Impfstoff verfügbar ist. Bei Punkt 2 hat Deutschland kläglich versagt. Es wurde weder rechtzeitig eine effiziente Teststrategie, die auch Selbst- und Schnelltests mit einschließt auf den Weg gebracht (zu lange hat offenbar das RKI auf den "Goldstandard" PCR) beharrt, noch hat man die Zeit genutzt eine Nachverfolgung zu organisieren, die den Möglichkeiten der modernen digitalen Technologien entspricht und nicht nur dem Datenschutz genüge tut. Das Versagen wird komplettiert durch eine Impfstrategie die gekennzeichnet ist durch Mutlosigkeit, europäische Kleinkrämerei und überbürokratische Verfahren. Und jetzt droht eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes, dessen geplante Maßnahmen weder evidenzbasiert noch adäquat, geschweige denn verfassungskonform sind.
Israel und UK haben all diese Fehler in der Phase nach dem harten Lock Down nicht oder zumindest geringfügiger gemacht. Sie haben pragmatisch und schnell gehandelt und offenbar aus den eigenen Fehlern gelernt.
Zu allem Übel kommt dann in Deutschland noch eine Kommunikationspolitik, die mehr auf Panikmache setzt, denn die Menschen als selbstverantwortliche freie Bürger ernst zu nehmen, die eine Perspektive erwarten und zu Recht einfordern.
bei allem Respekt, das ist das Blödeste, was ich bisher im Handelsblatt gelesen habe
Was ist typisch deutsch? Und was das typisch Deutsche an der Debatte?
Freiheitseinschränkungen können zur Infektionseindämmung erforderlich sein, aber die Diskussion über derer zweifelhafte ist keine Denunziation. Und Freiheitseinschränkungen, die nicht wirklich der Infektionseindämmung dienen, sind ein Anschlag auf's Grundgesetz.
Nicht das Verlassen der Wohnung oder des Grundstücks nach 21:00 Uhr fördert Infektionen, sondern dichtes Zusammenhocken vor allem in Innenräumen. Die Ausgangssperre ist ein Ausweichverbot, nichts weiter.
Feiern im Freien und Fressgelage in großen Gruppen sind nämlich jetzt schon verboten, könnten also von Ordnungskräften jederzeit aufgelöst werden, denn große Gruppen sollten auffällig sein. Natürlich ist das aufwändiger als pauschale Ausgangssperren.
Lieber werden 99% Unschuldige bestraft, als sich mit denen auseinanderzusetzen, die sich danebenbenehmen.
Und was ist ein planbarer Lockdown? Kann ernsthaft jemand der Meinung sein, dass das Virus planbar ist?
Ja, Triage muss verhindert werden, aber das Verbot eines Abendspaziergangs wird dabei nicht helfen.
ich frage mich wie es in Israel und UK ohne das hohe Impftempo gelaufen wäre.... Ob die dann auch öffnen würden wenn die Impfquote genauso niedrig wäre wie hierzulande? Oder ist es nicht vielmehr so, dass es nicht die nächtlichen Ausgangssperren sind, die die Öffnungen in besagten Ländern möglich machen, sondern vor allem das hohe Impftempo und flankierende Maßnahmen wie Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen am Tag...
Wenn man doch weiß, wo die Infektionen erfolgen, dann kann die Regierung doch gezielt eingreifen. Aber zu benennen was ist, das darf man in Deutschland nicht. Da sperrt man dann lieber alle ein. Wo soll ich denn abends hingehen, wenn alles geschlossen ist?! Bis auf wenige Monate im Sommer gibt es doch seit mehr als einem Jahr kein normales Leben mehr. Und das wird so weiter gehen bei dem Impftempo bis ins Jahr 2022.
Und ich freue mich drauf!
"Wer die Einschränkung (Ausgangssperren) ablehnt, übersieht, dass sie eine wichtige Voraussetzung für die viel gelobten Öffnungen in Großbritannien und andernorts war"
Und ich dachte es waren die Tests, Impfungen und das Digitalisieren, dass die viel gelobten Öffnungen möglich machten.