Kommentar: Die Europäische Union wird erwachsen


Emmanuel Macron, der Vordenker europäischer strategischer Autonomie, warnt nun seit fast einem Jahrzehnt, Europa müsse ein unabhängiger geopolitischer Akteur werden. Lange Zeit machten sich angelsächsische und deutsche Politiker und Kommentatoren über ihn lustig. Doch als US-Präsident Donald Trump vor einer Woche den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office vorführte, lachte kein europäischer Politiker mehr.
„Europa muss endlich erwachsen werden“, sagte Macron, als er nach seiner Reaktion auf Trumps Politik gefragt wurde. Auf ihrem Sondergipfel am Donnerstag vollzog die EU diese Wende.
Die Regierungschefs sendeten dort ein Signal zur weiteren Unterstützung der Ukraine. Zudem beschlossen sie ein 150-Milliarden-Euro-Rüstungspaket und eine Lockerung der Fiskalregeln für die massive Aufrüstung. Damit wollen sie endlich Fähigkeiten in denjenigen militärischen Gebieten aufbauen, in denen sie bisher von den USA abhängig waren: Spionagesatelliten, Drohnen, Cyberabwehr, Marschflugkörper für präzise Schläge.
Es ist die bedeutendste sicherheitspolitische Weichenstellung seit Jahrzehnten – und sie kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
Denn während die EU in Brüssel beschließt, mehr Verantwortung zu übernehmen, distanziert sich Washington immer weiter. Trump hat nicht nur die Militärhilfe für die Ukraine eingefroren, sondern am Donnerstag erneut Zweifel an der Beistandspflicht im Verteidigungsbündnis Nato geäußert. „Wenn sie nicht zahlen, werde ich sie nicht verteidigen“, sagte Trump. Damit macht er aus dem ehemaligen Alliierten einen Schutzgelderpresser.
Die EU nimmt die Kontrolle über ihre eigene Sicherheit selbst in die Hand
Europa hat darauf eine klare Antwort gegeben. Die Gipfelerklärung ist nicht nur ein weiteres EU-Hilfsprogramm, sondern ein strategischer Schwenk.
Die EU hat sich entschieden, die Kontrolle über ihre eigene Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen. In Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs demonstriert, dass sie sich nicht länger von amerikanischen Entscheidungen abhängig machen wollen – sei es bei Waffenlieferungen oder der politischen Zukunft der Ukraine.

Was einst als rhetorische Vision Macrons galt, wird nun Realität: Europa beweist, dass es eigenständig handeln kann und will.




Dieser Schritt war überfällig. Zu lange hat sich die EU darauf verlassen, dass Washington die sicherheitspolitischen Entscheidungen trifft, während Europa bestenfalls finanzielle Hilfe leistet. Doch die tektonischen Verschiebungen in den transatlantischen Beziehungen lassen keinen Raum mehr für europäische Passivität.
Wenn sich die USA aus ihrer Führungsrolle zurückziehen, dann kann Europa nicht einfach zusehen. Es muss selbst Akteur werden. Europa hat das nun verstanden. Die Union wird erwachsen.
Mehr: Europa braucht eine Allianz jenseits der USA – auch gegen sie






