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KommentarDie FDP als Partei des Liberalismus profitiert kaum vom Lockdown

Die Liberalen können in Zeiten von gravierenden Freiheitsbeschränkungen nicht punkten. Das liegt vor allem daran, dass es an einem ganzheitlichen Freiheitsbild mangelt.Thomas Sigmund 06.01.2021 - 16:56 Uhr Artikel anhören
Foto: Burkhard Mohr für Handelsblatt

„Die wichtigsten politischen Entscheidungen werden in Gremien getroffen, die es nicht gibt.“ Dieser Gedanke wird dem früheren Bundespräsidenten und FDP-Außenminister Walter Scheel zugeschrieben – unbestritten eine der kraftvollsten Stimmen der Freiheit, die Deutschland je hatte. Scheel konnte noch nicht an die Ministerpräsidentenkonferenz plus Kanzlerin denken. Dieses Gremium entscheidet in der Pandemie-Zeit alles.

Doch im Grundgesetz kann man so lange blättern, wie man will. Man wird es nicht finden. 

Kanzlerin Angela Merkel und die 16 Ministerpräsidenten beschließen im Monatsrhythmus die massivsten Freiheitseingriffe in der Geschichte der Bundesrepublik. Man muss aufpassen, dass am Ende Corona nicht die Freiheit auffrisst. Den Bürgern wird nicht mal mehr als ein Halbmarathon, also gut 20 Kilometer Bewegungsradius, eingeräumt. Es gibt sogar Ausgangssperren, die natürlich keiner so nennt.

Dieser Lockdown müsste eigentlich wie ein Aufputschmittel auf jene Partei wirken, die die Freiheit in ihrem Namen trägt. Doch weit gefehlt: Die FDP als Partei des organisierten Liberalismus kann davon aber kaum profitieren. Wieso ist das so? 

Merkwürdig passiv

Parteichef Christian Lindner glaubt, dass er nicht viel dafür tun muss, damit es für seine Partei bald besser läuft. Je größer die Freiheitseinschränkungen, desto größer der Zulauf für die Liberalen, so die These. Das ist merkwürdig passiv.

Die FDP müsste eigentlich täglich die Beteiligung der Parlamente einfordern. Da reicht es nicht aus, wenn der parlamentarische Geschäftsführer eine aktuelle Stunde zum Impfdesaster beantragt. Die ganze Partei steht in der Pflicht. Das muss aber auch orchestriert werden.

Natürlich laufen die meisten Bürger in schwierigen Zeiten zu den Regierenden. Aber es ist ungleich verteilt. Die Union profitiert erheblich, die SPD kaum. Es kommt nämlich ein Phänomen hinzu, das es schon vor Corona gab. Die Menschen orientieren sich an den Regierungschefs. Dass das so ist, hat auch viel mit dem präsidialen Regierungsstil Merkels zu tun. Anders als einige ihrer Vorgänger mag sie knappe Mehrheiten nicht und ist deshalb dreimal eine Große Koalition eingegangen. 

Die FDP müsste eigentlich täglich die Beteiligung der Parlamente einfordern, meint Thomas Sigmund.

Foto: dpa

Hinzu kommt: Deutschland ist historisch autoritätsgläubig. Wo Franzosen und Amerikaner Revolutionen machten, zogen sich die Deutschen ins Biedermeier zurück. Die freiheitlichen Ansätze wurden von den Fürsten niedergehalten. Es gab Freiheits- und Demokratiebewegungen. Die waren mit Ausnahme der sanften Revolution in der DDR nie erfolgreich. Im Westen brachten die Alliierten Freiheit, Demokratie und Wohlstand.

Der Hebel für die FDP wäre allerdings die Verhältnismäßigkeit. Das mag ein sperriger juristischer Begriff sein. Aber es ist eigentlich ganz einfach. Die Bürger müssen darauf vertrauen können, dass es im Bundestag eine  demokratische Partei gibt, die für Maß und Mitte sorgt.

Die meisten wissen, es braucht Einschränkungen, um das Virus zu besiegen. Doch viele haben auch den Eindruck, dass die Maßnahmen willkürlich gewählt werden. Sie können sich dabei mit ihrer Einschätzung auf Dutzende Gerichtsurteile stützen, die Freiheitsbeschränkungen aufgehoben haben. Die dritte Gewalt im Staat, die Justiz, funktioniert.

Partei des Optimismus

Die FDP war  immer die Partei des Optimismus. Wenn es jemanden gibt, der auch in schweren Zeiten den Menschen und nicht dem Staat vertraut, dann sind es die Liberalen. Die liberale Ikone Hans-Dietrich Genscher warnte vor den griesgrämigen Gesichtern. Das war auf die politischen Gegner gemünzt.

Doch heute wäre es wichtig, den Bürgern ehrlichen Mut zuzusprechen und für eine Stimmung des Aufbruchs zu sorgen und schon mal einen Blick auf die Zeit nach der Pandemie zu werfen. Da geht es gar nicht um so profane Themen wie die Digitalisierung von Bildung und Verwaltung, aber eben um „German Mut“.

Ein Slogan, den die FDP 2017 leider nicht eingelöst hat, indem sie nicht in die Bundesregierung ging. Damals gab es das schöne Bild von dem Zehn-Meter-Brett, von dem man springen soll. In der Pandemie geht es nicht mehr um bestandene oder nicht bestandene Mutproben, sondern um Freiheit und Zusammenhalt in der gesamten Gesellschaft. 

Dieses Jahr jährt sich zum 50. Mal die Veröffentlichung der Freiburger Thesen durch den Vordenker und Journalisten Karl-Hermann Flach. Er entwarf ein ganzheitliches Freiheitsbild. Darauf wartet man heute. Die klassischen liberalen Themen lauten innere und äußere Sicherheit, Staatswirtschaft gegen Marktwirtschaft und Aufstieg durch Bildung.

Alles ist heute so aktuell wie nie. Hinzu kommen als neue Herausforderungen der Klimawandel und eine Stimme, die nicht auf Verbote, sondern auf Technologie und Marktanreize setzt. Deutschland hat die Pandemie noch nicht überwunden und steht gleichzeitig vor einem Superwahljahr.

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Da es wahrscheinlich ist, dass Merkel nicht mehr zum fünften Mal antritt, könnte die politische Landschaft noch mal richtig in Bewegung kommen. Denn noch kennt man weder die Kanzlerkandidaten, noch weiß man, welche Themen im Wahlkampf die größte Rolle spielen werden. Karl-Hermann Flachs Slogan war: „Noch eine Chance für die Liberalen“.

Die FDP muss jetzt ihre Chance ergreifen. Die Freiheitsliebe muss sich durch alle Politikbereiche wie ein roter Faden ziehen. Das würde Deutschland und der FDP helfen. 

Mehr: Was FDP-Chef Christian Lindner zu verlieren hat

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