Kommentar Die Fed und die US-Regierung retten Amerika zu Tode

Die USA haben ein gigantisches Konjunkturpaket aufgelegt.
Amerika überrascht uns derzeit in vielerlei Hinsicht mit Superlativen: Da ist ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent, das in dieser Größenordnung an China oder Nachkriegszeiten erinnert. Da ist ein erneutes Stimuluspaket von 1,9 Billionen Dollar – auch das eine neue Dimension, erst recht, wenn man bedenkt, dass die US-Regierung bereits im vergangenen Jahr Stützen in Höhe von insgesamt drei Billionen Dollar verabschiedet hat.
Und nun kommt auch noch die US-Notenbank (Fed) mit ihrem Versprechen, die Zinsen lange Zeit niedrig zu halten und weitere Anleihen im Wert von 120 Milliarden Dollar monatlich anzukaufen.
Selbst Keynesianer unter den Ökonomen verspüren inzwischen ein Unbehagen. Haben die USA das Maß verloren? Schon jetzt liegt die Bilanzsumme der Fed bei 7,6 Billionen Dollar. Das sind 36 Prozent der Wirtschaftsleistung. Schon jetzt hält die Notenbank ein Fünftel aller ausstehenden US-Staatsanleihen in ihren Büchern.
Der expansive Kurs von Fed-Chef Jerome Powell erscheint vor dem Hintergrund hoher Wachstums- und vor allem auch steigender Inflationserwartungen wagemutig. Und der Kurs erfreut einmal mehr vor allem die Aktienmärkte.
Bereits im vergangenen Jahr konnte niemand die Diskrepanz zwischen euphorischen Märkten und einbrechenden Volkswirtschaften so recht erklären. Den Verdacht, dass die Rettungsmilliarden der Notenbanken weniger die Realwirtschaft stimulieren, als vielmehr die Finanzmärkte aufblähen, gibt es seit Längerem.
Signale einer geldpolitischen Straffung sind unverständlich
Dass aber die Fed nicht einmal jetzt, wo die Fiskalpolitik in nie gekannter Dimension die Wirtschaft stützt und die Wirtschaftserholung eine überraschende Dynamik entfaltet, zumindest vorsichtige Signale einer geldpolitischen Straffung gibt – wer will das verstehen?
Es grenzt an Hybris von Notenbankern, die sich seit Ausbruch der Finanzkrise daran gewöhnt haben, Weltenretter zu spielen statt die Rolle sich vorantastender Technokraten, die mit feinen Instrumenten versuchen, die Preis- und Konjunkturentwicklung der Volkswirtschaften zu justieren.
Diese Hybris führt am Ende dazu, dass Investoren für ihre Anlageentscheidungen weniger die Fundamentaldaten der Volkswirtschaften analysieren, als vielmehr auf den nächsten Schritt der mächtigen Notenbanken starren. Das wiederum setzt diese unter enormen Zugzwang.
Jeder kleine Hinweis auf einen Exit – und schon ist an den aufgeblähten Märkten der Teufel los. Das gilt für die Aktien- und in noch viel größerem Maß für die viel relevanteren Anleihemärkte.
Kaum kalkulierbare Nebenwirkungen
Die Notenbanken halten das System am Leben, aber dehnen dabei ihr Mandat so weit aus, dass etwa in Europa Gerichte darüber entscheiden müssen, ob sie die Grenzen der Legalität überschritten haben. Gerade für die Europäische Zentralbank ist es inzwischen zur Hauptaufgabe geworden, die Währungsunion zusammenzuhalten.
Ihre Bilanzsumme liegt inzwischen bei 7,1 Billionen Euro beziehungsweise bei 63 Prozent der Wirtschaftsleistung (Euro-Zone). Noch viel mehr als die Fed war und ist die EZB Lückenbüßer einer Politik, die nicht in der Lage ist, die Währungsunion so zu reformieren, dass sie langfristig überlebensfähig ist.

Für beide Notenbanken aber gilt: Die Geldschwemme, die in akuten Krisenzeiten notwendig gewesen sein mag, bringt langfristig kaum mehr zu kalkulierende Nebenwirkungen mit sich. Das sind bei Weitem nicht nur die Blasen an den Märkten, deren Platzen große Verwerfungen in der Realwirtschaft bewirken kann.
Nein, die Notenbanken setzten ein Stück weit auch jenen Mechanismus außer Kraft, der immer schon Voraussetzung für den langfristigen Erfolg von Volkswirtschaften war: die Anpassung, die Erneuerung oder, um es mit den Worten des visionären Ökonomen Joseph Schumpeter zu sagen: die „schöpferische Zerstörung“.
Wenn das Geld keinen Preis mehr hat: warum nicht veraltete Arbeitsplätze schützen, warum nicht unprofitable Unternehmen retten, warum nicht Investoren, die sich verspekuliert haben, aus der Klemme helfen? Und zu guter Letzt: Warum sollten sich Staaten nicht grenzenlos verschulden können, wenn sie sich folgenlos aus der Notenpresse der Notenbanken bedienen können, wie die Modern Monetary Theory es vorgaukelt?
Gefährliches Gemisch, das sich in den USA zusammenbraut
Die knappe und klare Antwort: weil das möglicherweise schleichend langsam, aber sicher das Vertrauen in unser Papiergeldsystem zerstört. Der Verlust dieses Vertrauens zeigt sich für gewöhnlich an steigenden Inflationsraten. Die Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren keinen engen Zusammenhang zwischen Zentralbankgeldmenge und Preisentwicklung gab, heißt nicht, dass das in Zukunft so sein muss.
Sicher warnen bereits lange Jahre die Inflationspropheten vor einer solchen Entwicklung, ohne dass etwas geschehen ist. Doch das Gemisch, das sich in den USA derzeit zusammenbraut, ist ohne Zweifel gefährlich. Die US-Notenbank bestreitet das.
Wahrscheinlich kann sie gar nicht anders, als diese Gefahr zu leugnen. Denn ein solches Eingeständnis würde große Verwerfungen an den Börsen auslösen. Powell ist zum „Marktmacher letzter Instanz“ für die Wall Street geworden. Er befindet sich in einer Lage, die Notenbanker vermeiden sollten.
Die Angst vor Finanzministern, die sich hemmungslos verschulden, war der Grund dafür, die Macht über den Zins an unabhängige Notenbanken zu delegieren. Inzwischen allerdings ist die Abhängigkeit des gesamten Geldsystems, der Realwirtschaft und der Finanzmärkte vom Nullzins so groß, dass es manchmal den Anschein hat, als agierten die stolzen Herren über das Geld als bedienstete Schuldenmanager der Finanzministerien.
Mehr: Steigende Anleihezinsen machen den US-Börsen zu schaffen
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Der Kipp-Punkte ist erreicht. Es wird für immer niedrige Zinsen, evtl. sogar Null-Zinsen für Staaten geben. In Asien hat man das schon 30 Jahre lang vorexerziert, siehe Japan, danach folgte China. Es scheint zu funktionieren, vor allem, wenn man in den Green New Deal investieren will oder muss. Mit den alten Methoden ist der Green New Deal nicht zu finanzieren, ausgeschlossen, das gibt eine Volkswirtschaft, die auf Märkten basiert, nicht her. Falls man zurück will in das alte System des Monetarismusses, so werden die Jungen dieser Erdenwelt das nicht akzeptieren, denn sie wollen noch eine Zukunft haben, ohne Klima-Wandel. So ist die Lage derzeit, nüchtern betrachtet.