Kommentar Die Gaia-X-Gesellschaft muss schnell liefern – oder das Cloud-Projekt wird zerredet

Cloud-Dienstleister sollen ihre Leistungen sicher und gemäß EU-Datenschutzrecht anbieten.
Zu bürokratisch, zu kompliziert, zu langsam: Es sind leider solche Attribute, die auf viele europäische Vorhaben zutreffen. Vor allem die schleppende Corona-Impfkampagne in der EU führt dies gerade schmerzlich vor Augen. Die Initiatoren des europäischen Cloud-Projekts Gaia-X müssen aufpassen, dass sie nicht die gleichen Fehler machen.
Das Projekt an sich: absolut richtig. Es kann nicht im Interesse deutscher, französischer oder italienischer Unternehmen sein, dass sie ihre rasant wachsenden Datenmengen dauerhaft bei den großen Konzernen aus den USA und China abliefern müssen, um sie in deren Rechenzentren verarbeiten zu lassen. Denn wer die Daten aus vernetzten Fahrzeugen oder Maschinen kontrolliert, verdient früher oder später auch das Geld mit dem Produkt.
Die hiesigen Unternehmen brauchen Cloud-Anbieter, denen sie ihre Daten anvertrauen können. Sonst werden viele Mittelständler das kostbare Gut lieber ungenutzt liegen lassen – und damit die Produktivitätsgewinne versäumen, die Big Data und Künstliche Intelligenz versprechen.
Gaia-X soll diesen vertrauenswürdigen Rahmen schaffen. Nicht, indem es eine „europäische Cloud“ schafft, wie griffige Überschriften es gern suggerieren. Gaia-X betreibt selbst keine Rechenzentren, bietet selbst keine praktischen Anwendungen, schafft keine eigenen Datenräume. Der Vergleich zu den großen US-Hyperscalern wie Amazon Web Services (AWS), Microsoft oder Google hinkt daher.
Die Gaia-X-Gesellschaft will vielmehr die Regeln definieren, nach denen kleine und große Cloud-Dienstleister ihre Leistungen sicher und gemäß EU-Datenschutzrecht anbieten können. Und sie legt die in Code gegossenen Parameter fest, um die unterschiedlichen Dienste miteinander kompatibel zu machen.
Gaia-X muss greifbare Vorteile bieten
Die Anwender sollen später frei wählen können, welchen Anbieter sie mit welcher Aufgabe betrauen und wie sie ihre Daten von einem zum anderen umziehen können. Schon das wäre ein großer Fortschritt – wer heute einmal bei AWS oder Microsoft ist, kommt von dort ohne Kraftakt oft kaum wieder weg.
Es wird daher spannend, zu sehen, ob die US-Konzerne und ihre chinesischen Pendants tatsächlich nach den Gaia-X-Spielregeln spielen wollen und können. Dass die Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt bei dem Projekt mitmachen wollen, heißt noch nicht viel. Zum Schwur kommt es erst später, wenn die jeweiligen Dienste nachweisen müssen, dass sie die Gaia-X-Standards erfüllen.
Um die eigenen Ansprüche aber zu erfüllen, muss die Gaia-X-Gesellschaft liefern. Für Cloud-Anbieter wie Anwender muss das Vorhaben greifbare Vorteile bieten. Und zwar binnen Monaten, nicht binnen Jahren. Sonst droht das europäische Vorzeigeprojekt unweigerlich zerredet zu werden wie so viele andere zuvor.
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