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Kommentar Die gnadenlose Effizienz der Chipindustrie fordert ihren Tribut

Die Bauelemente sind für Autohersteller und viele andere Branchen lebenswichtig. Das muss den Kunden mehr wert sein als bisher.
10.08.2021 - 18:36 Uhr Kommentieren
Für eine sichere Versorgung mit Halbleitern müssen die Kunden mehr bezahlen als bisher. Quelle: Bloomberg
Chips

Für eine sichere Versorgung mit Halbleitern müssen die Kunden mehr bezahlen als bisher.

(Foto: Bloomberg)

Bis in den Frühsommer hinein hatte kaum jemand in der Autoindustrie je einen Gedanken an die Provinzmetropole Melaka verschwendet. Warum auch? Seit ein paar Wochen aber ist die Küstenstadt Zulieferern und Automarken ein fester Begriff.

Wegen des Lockdowns in Malaysia stand ein Chipwerk von Infineon in Melaka wochenlang still. Der Produktionsausfall beim führenden Autochiphersteller verschärfte die ohnehin bestehenden schweren Lieferengpässe. Rund um den Globus ruhen seit Monaten immer wieder die Bänder in den Autofabriken, weil Halbleiter fehlen.

Die gnadenlose Effizienz, auf die die Chipindustrie in den vergangenen Jahren getrimmt wurde, fordert nun ihren Tribut. Weil die Industrie stets nach Größenvorteilen strebt, ist der Ausfall eines schon kleinen Werks oft eine größere Katastrophe. Häufig haben die Hersteller keine alternativen Standorte, auf die sie ausweichen können. So war es zuletzt auch bei Infineon.

Schon seit Monaten setzen die Autohersteller und ihre Zulieferer alles in Bewegung, um an Chips zu kommen, sind auch bereit, einen üppigen Aufpreis zu zahlen, um ihre Fertigung am Laufen zu halten. Per Flugzeug schicken sie die Elektronik für viel Geld um den Globus, suchen aufwendig nach Alternativen, um knappe Bauelemente durch besser verfügbare zu ersetzen.

Dabei ist es noch nicht lange her, da die Autobauer bei den Chipkonzernen um den letzten Cent gefeilscht haben. Sie haben die Bauteile erst bezahlt, wenn Fahrzeuge längst bei den Konsumenten waren. So entstand in der gesamten Halbleiterbranche eine globale Fertigungslandschaft, die hochgradig durchrationalisiert und arbeitsteilig ist – aber eben auch höchst anfällig für Störungen.

Wenn Daimler, BMW, VW und auch die Kunden aus allen anderen Branchen künftig eine verlässliche Chipversorgung wollen, dann müssen sie höhere Preise zahlen. Sicherheit hat ihren Preis.

Es ist purer Zufall, dass es in der Halbleiterindustrie in der Vergangenheit zu keinen größeren Unterbrechungen gekommen ist. Einzelne Hersteller hatten zwar immer mal wieder Probleme. So etwa Weltmarktführer Intel, was die PC-Hersteller zu spüren bekamen, weil ihnen die Prozessoren fehlten.

Ein Erdbeben in Taiwan, und die Elektronikproduktion bricht zusammen

Im Großen und Ganzen aber konnten die Produzenten liefern – mit viel Glück. Denn das System ist schon länger fragil. So kommt der Großteil der höchst integrierten Chips aus Taiwan, also jene Bauteile, wie sie in Smartphones eingebaut werden. Bei Speicherchips ist die Welt auf Südkorea angewiesen. Verpackt und getestet werden die meisten Halbleiter in Südostasien und China.

Ein großes Erdbeben in Taiwan könnte die Weltelektronikproduktion binnen weniger Wochen in die Knie zwingen. Eine militärische Auseinandersetzung zwischen der Insel und China hätte ebenso gravierende Folgen: Der Vereinigung der europäischen Autozulieferer zufolge stammen zwischen 60 und 70 Prozent der Autochips aus den beiden Ländern.

Das zeigt: Das Risiko war bisher schon gewaltig, wegen Corona wurde es nun offensichtlich. Denn durch den Digitalisierungsschub weltweit arbeiten sämtliche Fabriken am Anschlag.

Was also ist zu tun? Die Auftraggeber müssen sich daran gewöhnen, wesentlich früher bei der Chipindustrie zu bestellen und zudem verbindlich zu ordern. Nur so können die Halbleiterhersteller ausreichend und rechtzeitig in neue Werke investieren.

Die Fertigung sollte darüber hinaus näher an die Kunden heranrücken, um geopolitische Risiken zu minimieren. Das heißt: Es braucht mehr Chipproduktion in Amerika und Europa. Und das über die gesamte Lieferkette hinweg. Es reicht nicht, wenn nur der technisch anspruchsvollste Teil in den Industrieländern angesiedelt ist und die Halbleiter für die Weiterverarbeitung nach wie vor um die Welt geflogen werden.

Die Weltreise der Halbleiter ist nicht nachhaltig

Denn auch das muss sich ändern: Es ist nicht nachhaltig, wenn die Bauteile – so, wie es heute häufig der Fall ist – mehrmals den Globus umrunden, ehe sie beim Kunden eintreffen.

Auch die Abnehmer sollten handeln und darauf achten, zwei oder mehr Lieferanten zu nutzen. Zudem spricht alles dafür, die Elektronik von vornherein so zu entwickeln, dass sich Chips verschiedener Hersteller einbauen lassen.

All das kostet Geld. Aber vermutlich nicht so viel, wie viele Kunden glauben. Denn es werden ja immer mehr Chips genutzt, in immer mehr Geräten und für immer mehr Anwendungen. Dadurch steigen weltweit die Mengen, wodurch sich regionale Werke eher lohnen. Einzelne Abnehmer werden künftig auch mehr Chips verbauen als früher, wodurch sie bessere Konditionen bekommen.

Alles deutet darauf hin, dass der Chipmangel so schnell nicht vorübergeht. Hersteller und Kunden sollten daher nicht zögern, den anstehenden Wandel in der Halbleiterbranche sofort in Angriff zu nehmen.

Mehr: Infineon-Aktie ereilt der Fluch des Chipbooms

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