Kommentar Die Impfkampagne muss auch an die Gefühle der Bürger appellieren

Die Menschen müssen verstehen, warum die Impfung so wichtig ist. Sie müssen sie wirklich wollen.
Düsseldorf Zu spät, zu wenig, zu unkoordiniert. Die Kritik an der Impfkampagne in Deutschland ist groß. Während sich Landesväter und Gesundheitsminister noch auf ihre Pressekonferenzen vorbereiten, verabreichen Impfteams erste Impfungen in Pflegeheimen. Sie wissen – es wird höchste Zeit. In anderen Ländern sind die Impfungen gegen Covid-19 längst angelaufen. Hinzu kommt die Menge: 13 Millionen Dosen – das wird nicht reichen.
In diese erwartbare Kritik mischt sich eine weitere Sorge: Die Skepsis der Deutschen gegenüber Covid-19-Impfungen ist enorm. Laut einer Umfrage der Universität Erfurt will sich nur die Hälfte der Befragten impfen lassen. Um sich gegen die Pandemie zu wappnen, wäre eine Impfquote von knapp zwei Drittel der Bevölkerung nötig.
Es bedarf in der Tat einer großen kommunikativen Anstrengung, um dieses Ziel zu erreichen. Die PR-Strategen der Bundesregierung sollten an die Gefühle der Menschen appellieren und emotionale Bilder zeichnen. Sachfragen sind auch wichtig, helfen allein aber nicht mehr weiter.
Wie sollen Impfskeptiker bei einem hochemotionalen Thema wie diesem überzeugt werden, wenn Corona-Leugner eine gefährliche Melange aus Freiheitsparolen, Esoterik und Technologiefeindlichkeit verbreiten? Und das bei einem Virus, das weltweit mehr als 1,7 Millionen Menschenleben kostete?
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In der Werbung sagt man, man muss „das Schnitzel in der Pfanne brutzeln hören“. Dem Zuschauer muss das Wasser im Mund zusammenlaufen. Übertragen auf das Impfthema bedeutet dies: Die Menschen müssen verstehen, warum die Impfung so wichtig ist. Sie müssen die Impfung nicht ertragen, nicht erdulden. Sie müssen die Impfung wirklich wollen. „Damit wir unser Leben zurückbekommen“, twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Wochenende. Das ist ein großartiges Motiv.
In den USA, wo die Impfungen bereits laufen, sendeten TV-Sender über Stunden die Botschaften der Geimpften. Eine Wissenschaftlerin sagte, sie sei stolz darauf, ihre Impfdosis erhalten zu haben, die Nebenwirkungen seien nicht der Rede wert, ach, könnten doch nur viele Amerikaner geimpft werden. Das Schnitzel brutzelte. Das Narrativ war gesetzt.
Am Ende kommt es darauf an, wie eine Geschichte erzählt wird. In Deutschland sind wir emotional gern Anhänger der kalten Küche. In unseren Werbemotiven blicken Menschen mit hochgekrempelten Ärmeln und Impf-Pflaster auf dem Oberarm in die Kamera, dazu der fordernde Imperativ „Ärmel hoch“. Um eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, wird dies nicht ausreichen.
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