Kommentar Die Industrie ist wieder Deutschlands Konjunkturlokomotive

Die Industrie kommt bisher gut durch die Krise.
So belastend die Pandemie noch immer ist, eines haben die Europäer hinbekommen: Die Industrie bricht in den langen Lockdowns der zweiten Corona-Welle bisher nicht zusammen. Im Gegenteil: Der Industrie-Aufschwung, der nach dem ersten Corona-Lockdown im Sommer 2020 kräftig begann, setzt sich offenbar sogar jetzt im Januar weiter fort.
Dafür sprechen zumindest die frühesten Frühindikatoren, die Befragungen des IHS-Markit Instituts unter Einkaufsmanagern. Auch alle Daten des Statistischen Bundesamts, die bis November/Dezember reichen, sprechen für eine intakte Industriekonjunktur.
Je länger der Lockdown andauert, umso größer wird die Spaltung jener Branchen, die weiter wirtschaften können, und jene, die pandemiebedingt geschlossen sind.
Im Dezember konnte nicht mal der Onlinehandel den Einzelhandel vor einem Einbruch bewahren. Restaurants, Hotels, Friseure – sie alle ächzen unter der Zwangsschließung.
Weil diese Branchen aber – einschließlich des Großhandels – nur für acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen, kann die Industrie – fast ein Viertel der Wirtschaftsleistung – einen tiefen Einbruch wie im Frühjahr diesmal aller Voraussicht nach verhindern: Der vermutlich leichte Rückgang der Wirtschaftsleistung dürfte sich aufs erste Quartal eingrenzen lassen.
Konsumbranchen tragen die Pandemielast
Für Innenstadtläden, Friseure, Restaurants, die Kultur und andere Veranstalter ist das im Moment allenfalls ein schwacher Trost. Umso mehr kommt es jetzt darauf an, dass die Bundesregierung betroffenen Unternehmen passgenaue Hilfen zukommen lässt. Die Branchen, die ohne soziale Kontakte nicht funktionieren, tragen für den Großteil der Gesellschaft die Last der Pandemie. Diese Last muss der Staat ihnen abnehmen, soweit es möglich ist.
Dass kaum ein Friseurgeschäft bisher Hilfen erhalten hat, weil die Förderkriterien auf sie nicht passen, ist ein Skandal – fehlende Unternehmerlöhne ebenfalls. Denn die geschlossenen Branchen stehen ja für alles, was die europäischen Städte lebenswert macht und die Gesellschaft zusammenhält.
Das Virus wird die Politik zwingen, die Geschäfte geschlossen zu halten, bis es wärmer wird. Denn eine Ansteckungsrate von knapp unter 50 Einwohnern pro Woche pro 100.000 Einwohner würde sicherlich nicht lange anhalten, sollte die Politik die Maßnahmen noch in diesem Monat stark lockern.
Die Alternative – die Geschäfte öffnen und dann wieder schließen – ist nicht besser, auch wirtschaftlich nicht, wie die Erfahrungen in Frankreich, Portugal und Großbritannien zeigen. Diese Länder sehen sich bereits mit der dritten Welle konfrontiert.
Die Industrie erweist sich nun als Konjunkturlokomotive, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und in Italien. Was an aktuellen Lieferkettenschwierigkeiten zu sehen ist, hat mit dem Frühjahr 2020 nichts zu tun: Rohstoffknappheit und Kostenanstiege bei Vorprodukten sprechen eher für Störungen durch plötzlich einsetzendes starkes Wachstum als für eine zweite Rezession.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.