Kommentar Die Justiz muss ihren Beitrag leisten, die Anleger zu schützen

Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es die Justiz jenseits der Megaverfahren ruhig angehen lässt.
Die Strafe hat auf dem Fuß zu folgen, sonst verpufft der erzieherische Effekt. Gegen diesen simplen wie wahren Grundsatz verstößt die deutsche Justiz immer wieder, wenn es um komplizierte Wirtschaftsstraftaten geht. In diesem Bereich ist Justitia nicht nur blind, sondern auch lahm. Das muss sich ändern.
Der frühere Münchener Graumarkt-Guru Malte Hartwieg steht derzeit vor Gericht für Taten, die acht bis zehn Jahre zurückliegen. Seine Investoren, deren 170 Millionen Euro verschollen sind, mussten sehr lange weitgehend hilflos ausharren.
Das Signal solcher Verzögerungen ist fatal: Wie sollen potenzielle Wirtschaftskriminelle abgeschreckt werden, wenn sie darauf hoffen können, dass die Justiz ihren Fall sowieso zeitlich nicht in den Griff bekommt.
Noch steht das Urteil nicht fest, und natürlich ist der Fall Hartwieg ein Albtraum für Ermittler: ein Dutzend Fonds, ein Geflecht aus mehr als hundert Firmen in diversen Ländern, ein mutmaßlicher Komplize in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die Rechtshilfeersuchen dürften Monate gedauert haben.
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Aber all das zählt nicht als Ausrede, denn die Münchener Behörden haben gezeigt, dass sie bei Ermittlungen gegen Führungskräfte von Wirecard und dem Containervertrieb P&R zügig vorankommen. Das sind Milliardenskandale, die besonders im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass es die Justiz jenseits der Megaverfahren ruhig angehen lässt.
Es wäre unfair, nur auf München zu zeigen. In vielen Großstädten gibt es ähnliche Fälle. Anfang des Jahres wurde der frühere Chef des Busreiseanbieters Rainbow Tours in Hamburg wegen Insolvenzverschleppung im Jahr 2011 verurteilt. Der Vorsitzende Richter sprach bei der Urteilsverkündung von einer „rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung“ und reduzierte das Strafmaß.
Die Justiz muss ihren Beitrag leisten, die Anleger zu schützen. Sie sind seit je beliebte Opfer. Auf der Suche nach dem Extraprozent Rendite und bei Finanzfragen oft ahnungs- und arglos, sind sie leicht zu verführen. Immer wieder verbrennt ihr Geld in Biomasse-, Gold-, Container- oder Kryptoanlagen.
Mögliche Straftäter in diesem Bereich abzuschrecken ist wichtig wie nie. Ein Jahrzehnt Wartezeit von Ermittlungsbeginn bis zur Verurteilung ist den Opfern einfach nicht zuzumuten.
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