Kommentar Die mangelnde Forschung an deutschen Hochschulen könnte sich rächen

Es ist ein Alarmsignal für die Leistungsfähigkeit unserer Universitäten und Fachhochschulen, wenn die Wirtschaft sich verstärkt außer Landes orientiert.
Berlin Deutsche Unternehmen lassen immer weniger an inländischen Hochschulen forschen, zeigen neue Daten des Stifterverbands. Stattdessen vergeben sie mehr Aufträge an ausländische Universitäten. Die Entwicklung könnte zunehmend zum Problem werden. Betriebswirtschaftlich ist es völlig in Ordnung, wenn Manager deutscher Unternehmen in Universitätsstädten wie Stanford, Chicago, Schanghai oder Rotterdam forschen lassen, weil es dort passende Lehrstühle gibt, es kostensparend ist oder weil es schlicht und einfach besser zu einer Produktionsstätte vor Ort passt. Es dient der Forschung insgesamt, wenn der weltweite Wettbewerb funktioniert.
Gerade deshalb muss das Phänomen jedoch auch nachdenklich machen: Es ist ein Alarmsignal für die Leistungsfähigkeit unserer Universitäten und Fachhochschulen, wenn die Wirtschaft sich verstärkt außer Landes orientiert. Und es zeigt, dass der viel beschworene Transfer aus der Wissenschaft in die Wirtschaft dringend beflügelt werden muss. Viele Parteien – allen voran die Grünen und die FDP – haben das für die nächste Wahlperiode auf ihren Zetteln. Gut so, es muss aber auch passieren.
Doch auch für die Unternehmen selbst gibt es einen Mehrwert, wenn sie wieder stärker die Nähe zu den heimischen Hochschulen suchen würden. Immer unter der Voraussetzung natürlich, dass sie hierzulande passende Kooperationspartner finden. Das jedoch dürfte angesichts der Qualität und Vielfalt der deutschen Hochschulforschung in den wenigsten Fällen ein Problem sein.
Unabhängigkeit von politischen Entwicklungen
Von Vorteil sind nicht nur die kurzen Wege und die Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand auch persönlich zu treffen – denn das ist auch in Zeiten von Online-Konferenzen nicht zu vernachlässigen. Auch ist hierzulande die Chance größer, durch den direkten Draht zur Hochschule frühzeitig künftige Mitarbeiter kennen zu lernen. Ein Fakt, der künftig noch viel wichtiger werden wird.
Dazu kommt die Unabhängigkeit von politischen Entwicklungen und Abhängigkeiten: Britische Forscher werden durch den Brexit gehindert. Am anderen Ende der Problemskala steht die Forschungsnation China, die zwar hervorragende Wissenschaftler hat, deren Arbeit aber politisch kontrolliert und instrumentalisiert, sodass eine Kooperation mit großen Risiken behaftet ist.
Und dann ist da noch der Meta-Aspekt: Je weniger die Wirtschaft an deutschen Hochschulen forschen lässt, umso größer wird die Entfremdung. Das wäre angesichts der Industrie-Skepsis, die – mit Ausnahme der Ingenieurwissenschaften und der Betriebswirte – ohnehin in vielen Fakultäten vorherrscht, nicht hilfreich für den Standort Deutschland.
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