Kommentar Die Nähe zwischen der EZB und Investoren ist gefährlich

Umstrittene Telefonate nach geldpolitischen Sitzungen.
Bisher ist es bei der Europäischen Zentralbank (EZB) üblich, dass Chefvolkswirt Philip Lane nach geldpolitischen Sitzungen mit einzelnen Investoren telefoniert. Notenbankchefin Lagarde verteidigt das Vorgehen, will es aber überprüfen.
Die EZB sollte diese Praxis ändern. Der frühere EZB-Direktor Benoît Cœuré hat dazu vor einiger Zeit den wichtigsten Grundsatz formuliert: „Notenbanken müssen über jeden Verdacht erhaben sein, dass sie zu nah an Marktteilnehmern dran sind.“
Natürlich ist es wichtig, dass sich Notenbanker mit Investoren austauschen. Die Märkte sind entscheidend dafür, dass ihre Geldpolitik wirkt. Sicher, der Austausch im kleineren Kreis ist leichter. Dort können sich die Beteiligten freier äußern und testen, wie bestimmte Entscheidungen bei der anderen Seite ankommen würden.
Allerdings zu einem hohen Preis. Für Außenstehende ist schwer zu glauben, dass Finanzmanager ausschließlich aus fachlichem Interesse mit Entscheidungsträgern der Notenbank sprechen. Es entsteht leicht der Verdacht, dass es auch um persönliche Vorteile geht.
Allein dieser Verdacht ist schädlich für das Ansehen der EZB. Weltweit müssen Notenbanken abwägen zwischen einem reibungslosen Austausch mit den Märkten und der eigenen Glaubwürdigkeit. Die EZB hat hier im Vergleich zu anderen Notenbanken wie der Fed in den USA relativ viele Kompromisse gemacht. Das gilt nicht nur für private Gespräche mit Investoren.
EZB macht sich unnötig angreifbar
Ein anderes Beispiel war die Mitgliedschaft des früheren Präsidenten Mario Draghi in der G30-Gruppe, einem privaten Forum von Vertretern aus Finanzbranche und Wissenschaft. Die EZB hielt an Draghis Mitgliedschaft fest – und setzte sich damit über eine Empfehlung der EU-Bürgerbeauftragten hinweg.
Mit dieser Haltung macht sich die EZB gerade im aktuellen Umfeld, wo Verschwörungstheorien gedeihen, unnötig angreifbar. Dabei gibt es Optionen, wie sich der Austausch mit den Märkten besser organisieren lässt. Eine Möglichkeit wäre, wie bei der Bank von England Analystengespräche zu organisieren, die allen Interessierten offenstehen.
Zudem sollte sie im Zuge ihrer Strategie-Überprüfung auch das Format ihrer Pressekonferenz anpassen. Bislang hält Notenbankchefin Christine Lagarde diese zusammen mit ihrem Stellvertreter Luis de Guindos ab. Viele Fragen drehen sich dabei um technische Themen zur Geldpolitik. Daher wäre es sinnvoll, wenn dort der Chefvolkswirt oder der Abteilungsleiter für Geldpolitik ebenfalls zu Wort kommt, wie in Schweden.
Es gibt sicher keine perfekte Lösung für den Austausch mit den Märkten. Aber es gibt Spielraum für Verbesserungen.
Mehr: EZB will Gespräche mit Investoren nach Kritik überprüfen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.