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KommentarDie Regierung vertraut auf die Konsumlaune der Bürger

Union und SPD ist mit der Senkung der Mehrwertsteuer ein Überraschungscoup gelungen. Jetzt müssen die Bürger nur noch shoppen gehen, bevor die Rechnung kommt.Thomas Sigmund 04.06.2020 - 07:46 Uhr

Überraschungscoup mit einer gewaltigen Zukunftshoffnung.

Foto: Reuters

Vom früheren Reichskanzler Otto von Bismarck ist folgendes Bonmot überliefert: „Gesetze sind wie Würste, man sollte besser nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden.“ Das gilt auch für das von Union und SPD beschlossene Konjunkturpaket.

Es findet sich immer etwas Gehaltvolles in der Wurst, aber auch vieles, was man gar nicht wissen will. Immerhin haben Union und SPD bei dieser Produktion verstanden, dass man nicht tief in der Nacht eine zähe Einigung verkündet, bei der 130 Milliarden Euro im Schnelldurchlauf ausgegeben werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Markus Söder von der CSU traten am zweiten Verhandlungstag zwar auch erst kurz vor 23 Uhr vor die Presse, verkündeten aber gut sortiert, wie sie die tiefste Rezession in der Nachkriegszeit bekämpfen wollen.

Herausgekommen ist ein Überraschungscoup mit einer gewaltigen Zukunftshoffnung. Dazu gibt es ein Stück Wählerkauf und für die Bevölkerung zahlreiche Beruhigungsmittel verbunden mit der Aussicht auf ein konjunkturpolitisches Strohfeuerchen. Also ein vielversprechender Mix, mit dem CDU, CSU und SPD nicht nur etwas für Wirtschaft und Bürger tun, sondern sich gleich optimal für die Bundestagswahl im kommenden Jahr aufstellen.

Die Familien bekommen als Besänftigungsprämie einen Kinderbonus. Ob das die wochenlangen Kita- und Schulschließungen bei den Eltern vergessen machen lässt, sei mal dahingestellt. Die Autoindustrie erhält eine Kaufprämie für Elektroautos. Für Verbrenner gibt es keine staatlichen Hilfen. Ob sich jetzt mehr Deutsche für einen E-Auto erwärmen können, ist noch nicht abzusehen. Die Koalition hofft es jedenfalls. 

Originaldokument vom 3. Juni 2020: Die Eckpunkte des Konjunkturpakets

Immerhin versucht die GroKo mit der Förderung neuer Antriebstechnologien Innovationen voranzutreiben. Die angedachte Verlängerung des Kurzarbeitergeldes ist ambivalent. Auf der einen Seite mag die Maßnahme sinnvoll sein. Allerdings geht davon auch die Signalwirkung aus, dass die Krise wohl noch lange dauert.

Dazu passt auch, dass aus dem früheren Superoptimisten, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), ein Superpessimist geworden ist. Eines sollte man bei der möglichen Verlängerung der Kurzarbeit nicht übersehen: Die Politik will vor den anstehenden Landtagswahlen im Frühjahr kommenden Jahres um jeden Preis hohe Arbeitslosenzahlen vermeiden. Ob diese Rechnung aufgeht, weiß heute noch keiner.

Senkung der Mehrwertsteuer als Wunderwaffe

Es gibt im Konjunkturpakt viele sinnvolle Entscheidungen, wie die steuerlichen Verlustrückträge für Unternehmen. Auch das Härtefallprogramm für die durch das Coronavirus stillgelegten Branchen ist wirtschaftspolitisch vernünftig. Den betroffenen Unternehmen wurde der Hahn zugedreht, ohne dass sie eine Schuld trifft und sie wirtschaftlich darauf hätten reagieren können. Der Run auf diese neuen Hilfsmittel wird aber erst losgehen, da sicher noch Branchen vergessen wurden. 

Die Kanzlerin und ihr Bundesfinanzminister präsentierten ganz am Ende dann noch eine echte Überraschung. Es war nicht das politisch unstrittige Vorziehen der teilweisen Abschaffung des Soli. Die Koalition senkt dafür befristet die Mehrwertsteuer. Das bringt etwas auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite. Gerade die Familien können von einem niedrigeren Mehrwertsteuer richtig profitieren, sie müssen jetzt nur noch einkaufen gehen. Der eine oder andere Bürger mag die Chance auch nutzen, billiger ein Auto mit Verbrennungsmotor zu kaufen. 

Über alledem schwebt die Frage: Wer soll das alles bezahlen? CSU-Chef Markus Söder versicherte zwar, Deutschland könne sich das leisten und die Haushälter im Bundesfinanzministerium haben von Anfang an einen riesigen Puffer eingebaut. Aber die Staatsverschuldung schnellt nach oben wie noch nie in der deutschen Geschichte. Olaf Scholz mutiert vom Verfechter der schwarzen Null zum Schuldenkönig.

Gleichzeitig brechen die Steuereinnahmen und die Beiträge der Sozialabgaben weg und man geht neue Verpflichtungen in Europa ein. Es gibt eine schlichte ökonomische Weisheit: Die Schulden von heute, sind die Steuern von morgen.

Wenn die Bürger die Schuldenberge sehen, sagt ihnen der gesunde Menschenverstand, dass die Steuern steigen. Die Kanzlerin hat sich kürzlich bei einer Regierungsbefragung lediglich mit dem Satz aus der Antwort darauf rausgewunden: „Derzeit steigen die Steuern nicht.“ Jeder der politische Konjunkturzyklen ein bisschen kennt, weiß: Die Steuern steigen nach der Bundestagswahl.

Selbst diejenigen, die sagen, wir können aus den Schulden angesichts der niedrigen Zinsen herauswachsen, müssen sich den gewaltigen Schuldenständen stellen. Erinnert sei an die Große Koalition in der Lehman-Krise: Union und SPD öffneten ebenfalls die Schleusen. In der schwarz-gelben Bundesregierung musste der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann erstmal konsolidieren.

Das alles kommt auf die Bürger jetzt auch wieder zu. Nur sagen wollte es nach dem Koalitionsausschuss keiner. Aber die Wahrheit ist dem Bürger zumutbar.

Mehr: Union und SPD haben sich auf Konjunkturhilfen verständigt. Bürger und Unternehmen sollen unter anderem beim Strompreis entlastet werden, eine Kaufprämie für Verbrenner gibt es dagegen nicht.

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